Studie Tax Games: the Race to the Bottom – Steuersystem bietet zu viele Schlupflöcher und immer weniger Unternehmenssteuern

Weltweit betreiben Regierungen einen ruinösen Wettlauf nach unten bei den Unternehmenssteuern. Europa spielt dabei eine führende Rolle und beschleunigt weiter das Tempo. Dies zeigt der heute von 21 europäischen Organisationen veröffentlichte Bericht „Tax Games – the Race to the Bottom: Europas Rolle bei der Unterstützung eines ungerechten globalen Steuersystems“ – in Österreich veröffentlicht vom VIDC und Attac.

Panama Papers, Malta-Files, Paradise Papers – immer neue Unternehmensteuer‐Skandale erinnern daran, dass die Steuervermeidung bei Unternehmen noch immer weit verbreitet ist. Die bestmöglichen Schätzungen gehen davon aus, dass dies die Gesellschaft jedes Jahr rund 500 Milliarden US‐Dollar an entgangenen Einnahmen kostet. Einer der Hauptgründe für dieses Problem ist die Tatsache, dass Regierungen Geheimhaltung, Steueranreize und Schlupflöcher bieten, die dies möglich machen.
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Der durchschnittliche Steuersatz für Unternehmen hat sich in 15 EU-Staaten seit 1980 von 49 auf rund 24 Prozent halbiert und sank weltweit im selben Zeitraum von rund 40 auf unter 25 Prozent. Hält dieser globale Trend an, werden die Unternehmenssteuersätze bis 2052 weltweit auf Null sinken.
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Als Kompensation für die sinkenden Einnahmen aus Unternehmenssteuern steigen seit Jahrzehnten die Steuern auf Arbeit und Konsum. Vor allem Konsumsteuern belasten Menschen mit geringem Einkommen mehr und verursachen zunehmende Ungleichheit. Dennoch läuft bereits die nächste Runde in diesem ruinösen Steuerwettlauf. 12 der 19 im Bericht untersuchten europäischen Länder haben ihren Steuersatz für Unternehmen erst kürzlich gesenkt oder planen dies in naher Zukunft.

Das Dumping bei den Steuersätzen ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Viele Konzerne verschieben ihre Gewinne mit Briefkastenfirmen und Patentboxen über intransparente Konstruktionen künstlich in Steuersümpfe und maximieren so weiter den Schaden für die Allgemeinheit. So ist in 12 der untersuchten Länder noch immer geheimes Firmeneigentum möglich, aber trotzdem sind zehn EU-Länder – darunter auch Österreich – dagegen, dass multinationale Konzerne öffentlich machen müssen, in welchen Ländern sie welche Gewinne verbuchen und wie viele Steuern sie zahlen.

Die EU plant am 5. Dezember zwar, eine „schwarze Liste von Steueroasen“ zu veröffentlichen, doch EU-„Steueroasen“ wie Luxemburg, die Niederlande, Irland, Malta, Großbritannien oder Zypern finden sich nicht auf der Liste, kritisieren VIDC und Attac.

Dazu auch: Skandal „Luxemburg Leaks“: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen! – Support Antoine Deltour and Édouard Perrin

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Der Bericht fordert neben Transparenzmaßnahmen auch ein globales Abkommen zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuervermeidung, um die wichtigsten „sink countries“ und “conduit countries“ in das gemeinsame „Boot“ zu holen. Erstere sind Länder, in denen Unternehmen ohne große Steuerbelastungen ihre Profite ‚versenken‘ können. Letzteres sind Länder, durch die Unternehmensgewinne aus jenen Ländern, in denen ein multinationaler Konzern geschäftlich tätig ist, in die ‚Senken‘ geschleust werden.
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„Die Regierungen dürfen nicht nur Lippenbekenntnisse zu den unfairen Steuerpraktiken der Konzerne abgeben, sondern müssen den ruinösen Steuerwettlauf generell beenden“, fordert daher Martina Neuwirth vom Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (VIDC), die das Österreich-Kapitel des Berichtes verfasste, in dem u.a. auch die hiesigen Holdinggesellschaften kritisiert werden, die derzeit unter Korruptionsverdacht stehenden brasilianischen Bau- und Öl-Konzernen nahezu Steuerfreiheit einräumen, sowie die bisherige Weigerung, öffentliche Unternehmensregister einzuführen.
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Das Österreich-Kapitel des VIDC-Berichts: http://www.vidc.org/…/…/Tax_Games/Tax_Games_2017_Austria.pdf
Zusammenfassung des Berichts auf Deutsch: http://www.vidc.org/…/Tax_Games_2017_DE_Zusammenfassung_.pdf
Der kompletter Bericht: http://www.vidc.org/…/Tax_Ga…/Tax_Games_2017_full_report.pdf

 1.000 Mrd. jährlicher Schaden in der EU – Ohne Steuerflucht hätten die Staaten kein Defizit, sondern Überschüsse.

Wie verschiebt man einen in Österreich erwirtschafteten Gewinn? Man gründet eine Tochterfirma mit Sitz in einem Niedrigsteuerland. Diese verrechnet dem Mutterkonzern, der die tatsächliche Wertschöpfung betreibt, überteuerte Leistungen. Etwa Gebühren für Lizenzen, Marken- oder Namensrechte, technisches Know-how oder die Lieferung von Rohstoffen. Dadurch schmälern sich die Gewinne des Mutterkonzerns und diese wandern zur Tochterfirma im Niedrigsteuerland. Der zu versteuernde Betrag verkleinert sich massiv. Den EU-Staaten entgehen dadurch alljährlich rund 1.000 Milliarden. Hier die Top-12 und ihre Helfer:

Zusatzinformationen

Die Debatte über Offshore-Leaks und die sehr geringen Steuerzahlungen großer multinationaler Konzerne haben das öffentliche Interesse auf das Problem „Steueroasen“ gelenkt. Wenn Konzerne Steuersatzunterschiede zwischen verschiedenen Ländern ausnutzen, kann Steuergestaltung durchaus legal sein. Werden aber steuerpflichtige Einkommen von Privatpersonen nicht deklariert, ist das illegal. 

Aktuell (2017)-

„Die Niederlande sind die neuen Bermudas“

Starbucks, Microsoft, Apple, BASF, ja sogar Popstars wie Elton John und die Rolling Stones residieren zwischen Amsterdam, Den Haag und dem Ijsselmeer. Die Niederlande sind „in“. Rund 12 000 ausländische Firmen – darunter 800 deutsche – wanderten bereits aus, 85 Prozent betreiben mitarbeiterfrei nicht mehr als einen Briefkasten. Einer Studie der Stiftung für wirtschaftliche Forschung zufolge bis zu 30 Milliarden Euro im Jahr. Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa flossen 2012 rund 2,7 Billionen Euro an ausländischem Kapital in die Niederlande. Nur 573 Milliarden kamen in der Realwirtschaft an, der Rest landete in Briefkastenfirmen.

Dazu: Wie Konzerne Europas Kassen plündern!

Anmerkung:

Internetriesen wie Amazon und Google senken Ihre Steuerlast durch komplizierte Unternehmenskonstrukte über Irland und Holland – und das mit Erfolg. Doch in den allermeisten Fällen lohnt sich das kostspielige Erzeugen eines solchen Konstrukts für ein Unternehmen nicht, wenn es nicht gerade mehrere Milliarden Euro Umsatz jährlich erzielt. Daher haben einige Unternehmen eine Alternative gesucht und diese in Malta mit seiner Malta Limited gefunden. Dazu zählen unter anderem Geobra Brandstätter (Playmobil), Tipico und XXXLutz aus Österreich.

PLAYMOBIL WIRD SEIT 1974 IN MALTA PRODUZIERT

Zur Geobra Brandstätter GmbH und seinem weltberühmten Spielzeug Playmobil muss ich mich zu Beginn korrigieren: Das Unternehmen direkt ist wie angedeutet eine GmbH und nicht in Malta mit einer Malta Limited registriert. Jedoch ist das Werk, in dem Playmobil seit Marktstart 1974 produziert wird, ein Werk der Playmobil Malta Limited, welche wiederum der GmbH in Deutschland unterstellt ist. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Playmobil Malta Ltd die Steuervorteile in Malta nutzt. Quelle 

Robert Manoutschehri aus Österreich für die Netzfrauen

Steuerflucht – Wie Konzerne Europas Kassen plündern!

Black Friday and Cyber Monday! – undercover bei Amazon – Undercover at mega-warehouse Amazon – Amazon Italy workers demonstrate

RIO 2016 – Während Rio de Janeiro den Notstand ausruft, brauchen Sponsoren dank IOC keine Steuern zahlen! – World’s Biggest Corporations Won’t Pay Taxes at the Olympics

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  1. Pingback: Die KW 49/2017 im Link-Rückblick | artodeto's blog about coding, politics and the world

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