Unter tiefem und aufrichtigem Schmerz informieren wir über den Tod von Creuza Guarani. In Brasilien ist ein stiller Genozid im Gang und die Welt schaut zu. Ein Völkermord um Platz für eine großflächige Landwirtschaft zu schaffen, auch für Europa! Das neue Opfer ist Creuza Guarani. Sie kämpfte seit Jahren mutig für die Rechte ihres Volkes, jetzt ist sie tot. Ihre Leiche wurde diese Woche nahe ihrer Gemeinde Apy Ka’y in Brasilien gefunden. Die Umstände ihres Todes sind noch ungeklärt, Beobachter*innen halten einen Mord jedoch für wahrscheinlich.
Am 10.Dezember ist der Tag der Menschenrechte, doch was sind Menschenrechte wirklich noch wert? Die Menschen, schauen zu, wenn ganze Völker ausgelöscht werden, wie in Brasilien die dramatische Situation der Guarani-Indigenen zeigt.
Wir Netzfrauen unterstützen Survival International – Die Bewegung für indigene Völker im Kampf um das Überleben der Guarani. Das Indianervolk wird bedroht, diskriminiert und getötet. Bei einem Europa-Besuch 2016 bat Tonico Benites Guarani, ein Guarani-Sprecher, um Unterstützung für sein Volk: „Ein langsamer Völkermord findet statt. Ein Krieg wird gegen uns geführt. Wir haben Angst. Sie töten unsere Anführer, verstecken ihre Leichname, schüchtern uns ein und bedrohen uns.“
Linda Poppe, Koordinatorin von Survival International, teilte uns gestern den tragischen Tod von Creuza Guarani mit. Creuza Guarani kämpfte an der Seite der bekannten Gemeinde-Anführerin Damiana Cavanha, die sich furchtlos für Landrechte und gegen Diskriminierung einsetzt.
Dafür wurde sie 2015 für den International Women’s Courage Awards nominiert. Auch Damiana erhält für ihren Einsatz für Landrechte Morddrohungen: “Die Söldner sagten mir, dass sie uns alle töten werden. Doch ich werde weiterhin für unser Tekoha [angestammtes Land] kämpfen.”
Es sind die mutigen Frauen, die für die Landrechte kämpfen.
Oft hören wir, wie eine Mutter sich so in Gefahr begeben kann. Wer so etwas denkt, dem sei gesagt: Sind es nicht die Mütter, die kämpfen? Und zwar für ihre Kinder?! Im März 2016 informierten wir sie über die niederträchtige Ermordung unserer Gefährtin, Mutter, Lehrerin, Schwester, Anführerin und Freundin Berta Cáceres, Mutter von 4 Kindern und Gründerin des COPINH in Honduras. Mit ihrer Protestbewegung gelang es ihr, den weltweit größten Dammbauer Sinohydro und die Weltbank zum Ausstieg aus dem Projekt zum Bau des Staudamms Agua Zarca am Fluss Gualcarque zu zwingen.
Menschen sterben bei Widersetzung gegen Abholzung, Wasserkraftwerke, Bergbauminen und Landstreitigkeiten.
Im November 2014 hatten wir den Tod der 27-jährigen Marinalva Manoel zu beklagen. Sie war ebenfalls eine Guarani-Anführerin und wurde tot im Graben neben einer Schnellstraße gefunden – vergewaltigt und erstochen. Auch sie hatte sich für die Rückgabe des angestammten Landes ihres Volkes eingesetzt.
Für die Guarani-Kaiowá ist Land die Quelle allen Lebens. Aber gewaltbereite Rancher haben das Gebiet der Guarani verwüstet und fast alles an sich gerissen.
Sprecher der Guarani werden regelmäßig attackiert und von Söldnern getötet, die von Viehzüchtern beauftragt werden. Die Farmer nehmen das Land der Indigenen in Besitz und erzielen durch Zuckerrohr, Soja und Viehhaltung große Gewinne, während die Guarani in Reservate und Lager am Straßenrand gedrängt werden.
Die Guarani leiden ohne Zugang zu ihrem Land unter alarmierenden Raten von Mangelernährung, Gewalt und Suizid, weshalb sie manchmal kleine Flächen ihres angestammten Gebietes wiederbesetzen, das ihnen in den letzten Jahrzehnten geraubt wurde.
Brasilien verliert immer noch pro Minute eine Fläche von zwei Fußballfeldern an Regenwald, weil illegale Holzfäller und Rancher die unberührten Gebiete des Amazonas ausbeuten, laut Tasso Azevedo, dem früheren Leiter der nationalen Waldkommission. Satelliten, die die IBAMA nutzt, verzeichneten ungefähr 100 000 Eingriffe in den Wald allein im vergangenen Jahr. Siehe ‚ES HERRSCHT KRIEG‘ – Brasiliens Amazonasgebiet – ‚IT’S A WAR‘ – Brazil’s Amazon
Der hohe Bedarf an Soja für die Futtermittelindustrie und Zuckerrohr für die Produktion von Agrartreibstoffen – gerade für Europa – heizt den Druck auf Land weiter an. Vermehrt kommt es zu Konflikten zwischen den Guarani-Kaiowá und Farmerinnen und Farmern. Die von 1915 bis 1928 von der Regierung abgesteckten Reservate für die Guarani-Kaiowá sind heillos überfüllt. Viele Indigene hausen in notdürftigen Camps oder an den Straßenrändern. Auf Grund des fehlenden Zugangs zu Land können sie sich nicht selbst ernähren. Hunger, Unterernährung, Selbstmorde und Morde an indigenen Aktivistinnen und Aktivisten prägen den Alltag der Gemeinden.
Sie wurden ausgeraubt, massakriert und ihre Häuptlinge wurden umgebracht. Wir haben bereits mehrfach auf die dramatische Situation der Guarani in Brasilien hingewiesen. Erst letztes Jahr haben wir über den Überfall von bewaffneten Männern auf eine Guarani-Gemeinde in Südbrasilien berichtet. Auch hier gab es Tote und Verletzte, sogar Kinder waren darunter.
Jetzt bekamen wir eine furchtbare Nachricht: Creuza wurde tot am Straßenrand aufgefunden. Jahrelang hat sie sich unermüdlich und mutig dafür eingesetzt, Gerechtigkeit für ihr Volk zu erlangen – wofür ihr oft mit dem Tod gedroht worden war.
Dies ist Livia, neben ihrem Haus – Survival
Livia ist die Tochter von Creuza. Erst wurde ihre Schwester, dann ihr Neffe und ihr Onkel auf der Straße getötet. Jetzt fand man ihre Mutter tot am Straßenrand.
Livia hat weder Zugang zu sauberem Wasser noch zu medizinischer Versorgung. Der Wald, um den ihr Volk sich Jahrtausende gekümmert hat, ist verschwunden: Sie können weder Heilpflanzen sammeln noch ihren Kindern das Jagen und Fischen beibringen. Die Guarani haben eine der höchsten Selbstmordraten der Welt.
Seit zwanzig Jahren lebt ihr Volk so. Tausende mehr Menschen leben unter ähnlichen Bedingungen.
Wir denken, dass es ein Skandal ist. Wir tun alles, um für Livia Gerechtigkeit zu erlangen, sodass sie eine Chance auf eine bessere Zukunft hat, denn jetzt ist sie allein!
Wenn Sie helfen möchten, können Sie das hier: Bitte spende
Survival International, die globale Bewegung für die Rechte indigener Völker, fordert von der brasilianischen Regierung sofortige Maßnahmen zum Schutz der Land- und Menschenrechte der Guarani und anderer indigener Völker in Brasilien.
In unserem Beitrag: Vergiftetes Südamerika – Soja-Anbau für Europa mit dramatischen Auswirkungen und wir essen uns zu Tode! haben wir erläutert, dass es nur wenigen Menschen bewusst ist, dass sich ein unsichtbares Band der Zerstörung von den europäischen Massentieranlagen bis in die Wälder Südamerikas zieht. Dort vernichten riesige Sojaplantagen die einheimische Fauna und Flora. Soja, das zur Fütterung von Hühnern, Rindern und Schweinen in Europa benötigt wird, wächst in Südamerika mittlerweile auf einer Fläche von über elf Millionen Hektar — und die Nachfrage wächst rasant. 2014 wurden weltweit über 312 Millionen Tonnen Sojabohnen geerntet. 80 Prozent davon in Brasilien, Argentinien und den USA. Problematisch ist, dass für den Anbau oft Wälder abgeholzt werden, der Boden ausgelaugt und Wasser verschmutzt wird. Auch führt die Ausdehnung des Sojaanbaus zu gesellschaftlichen Konflikten, wenn Land- und Arbeitsrechte missachtet werden. Die Folge ist oft Landflucht oder die meist ärmere Bevölkerung wird von ihrem Land vertrieben, denn die Nachfrage nach Soja hat sich in den letzten 40 Jahren verfünffacht. Siehe: Vergiftetes Südamerika – Soja-Anbau für Europa mit dramatischen Auswirkungen und wir essen uns zu Tode!
Die Guarani im Südwesten Brasiliens sind eines von vielen indigenen Völkern, das unter der aktuellen Indigenen-
Agrarministers Blairo Maggi (PP) ist einer der größten Agrarindustriellen der Welt und Eigentümer der Grupo Amaggi.
This is illegal deforestation from Mato Grosso
Das Hauptanbaugebiet ist Mato Grosso. In dem dünn besiedelten Bundesstaat wurde 1970 die erste Sojaernte auf 12 Hektar eingefahren. Heute sind es über sechs Millionen Hektar. Hier ist die Basis des weltweit größten Sojaanbauers, der Grupo Amaggi des Unternehmers und Ex-Gouverneurs von Mato Grosso Blairo Maggi. 1979 sicherte sich die Familie Maggi 2400 Hektar, 2005 besaß sie über 135 000 und hatte mehr als 100 000 gepachtet. Wie weit der Cerrado bereits zerstört ist, kann nur geschätzt werden, Experten gehen von 50 bis 80 Prozent aus. Zehntausende Menschen, die in dem Gebiet lebten, wurden vertrieben oder ermordet. Wenn die Vernichtung der Savanne in dem selben Tempo wie bisher weitergeht (2,2 Millionen Hektar jährlich), wird bis zum Jahr 2030 nichts mehr übrig sein.
Doch auch die weiten Flächen von Mato Grosso reichen längst nicht mehr aus. Die Sojafront breitet sich weiter in die wenigen noch intakten Gebiete des Cerrado in den Bundesstaaten Maranhao, Piauí und Bahia sowie den Amazonas aus. Bereits seit den 1980er-Jahren war der Sojaanbau auch für die Abholzung des Regenwaldes im Amazonas mit verantwortlich. Rinderfarmer verlegten ihre Weiden auf Grund der Ausbreitung des Sojas nach Amazonien und rodeten dafür Wald. Mittlerweile reichen die Sojaflächen selbst bis dorthin. Nach Angaben des brasilianischen Landwirtschaftsministeriums wird in den Amazonasstaaten 2010 bereits auf 528 000 Hektar Soja angebaut. Von der Stadt Cuiabá im Mato Grosso führt die 1800 Kilometer lange Schnellstraße BR-163 nach Santarém, wo der Río Tapajós in den Amazonas mündet. Die Pläne für eine derartige Schnellstraße gab es schon zu Zeiten der Militärdiktatur. Unter der Regierung von Fernando Henrique Cardoso wurde die Idee 1999 schließlich umgesetzt. Über den Fluss kann das Soja aus Mato Grosso somit direkt nach Europa oder China verfrachtet werden. Im Jahr 2001 baute der US-Konzern Cargill einen Hafen und eine Sojaverarbeitungsanlage in Santarém. Das Unternehmen wird auch direkt für die Ausbreitung des Sojaanbaus in Amazonien selbst verantwortlich gemacht, da es zum Beispiel Kredite an Bauern vergibt, sofern diese mit dem Sojaanbau beginnen. Quelle Landgrabbing
In den letzten Jahrzehnten waren die Guarani Opfer von genozidaler Gewalt, Sklaverei und Rassismus, um ihr Land, ihre Ressourcen und ihre Arbeitskraft zu rauben. Mit Aktionen, wie „Stoppt Brasiliens Völkermord“ macht Survival International verstärkt auf die schreckliche Krise aufmerksam, um brasilianischen Völkern eine Plattform zu geben.
Expert*innen haben die Einstellung der gegenwärtigen Administration zu indigenen Völkern als „die schlimmste seit zwei Generationen“ beschrieben. Prominente Indigene haben die Angriffe der brasilianischen Regierung als „Genozid“ verurteilt.
Die Guarani geben nicht auf. Sie wissen, dass sie den Tod riskieren, weil sie in ihre angestammte Heimat zurückkehren wollen. Aber die Alternative ist so schlimm, dass sie keine andere Wahl sehen, als sich den Bewaffneten und ihren Kugeln zu stellen. Brasiliens Übergangsregierung muss mehr tun, um diese Welle der Gewalt zu beenden. Sie endet in Mord.
Danke Creuza, wir vergessen dich nicht, wir werden für dich weiter kämpfen. Jetzt erst recht!
Wir wollen keine Toten mehr, es reicht!
“Früher hatten wir Wasser im Überfluss, üppige Ernten und riesige Bäume. Doch heute ist das alles zerstört.“ Getulio De Oliveira, Stammesoberhaupt der Guarani Kaiowa, El Dorado, Brasilien.
Netzfrau Doro Schreier
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