Immer wieder müssen sich Menschen wegen Bagatellen vor Gericht verantworten oder geraten mit ihrem Arbeitgeber in Konflikt. Dieser Fall ging sogar in die 2. Instanz: In der reichsten Stadt Deutschlands mussten sich ein Rentner und eine Reinigungskraft vor Gericht verantworten, nachdem sie 18 Flaschen im Wert von 1,44 Euro aus einem Altglascontainer entwendet hatten. Und essen sie ja nicht ein Brötchen ihres Arbeitgebers, lassen sie es lieber vergammeln, denn ein Pflegehelfer wurde genau aus diesem Grund nach 15-jähriger Tätigkeit fristlos entlassen. Er habe sich am Eigentum des Arbeitgebers vergriffen.
Im Mai 2016 berichteten wir von zwei Aachenern, die sich vor Gericht verantworten mussten, weil sie genießbare Lebensmittel aus den Mülltonnen eines REWE-Supermarkts retteten. Ihnen wurde „schwerer Diebstahl“ zur Last gelegt. Zwei Jahre hatte die Justiz mit diesem Fall zu tun, bevor die zwei Aachener erleichtert aufatmen konnten.
Immer wieder muss sich die Justiz mit Bagatellen auseinandersetzen, ob nun wegen Kündigungen oder wegen Diebstahl von zum Beispiel Leergut oder Lebensmitteln aus dem Müll. Für Aufsehen sorgte vor allem der Fall „Emmely“. Die Supermarkt-Kassiererin hatte zwei Pfandbons über 48 und 82 Cent unterschlagen und war daraufhin fristlos entlassen worden. Wenig später wurde der Fall einer Bäckerei-Verkäuferin in Friedrichshafen bekannt. Sie war entlassen worden, weil 1,36 Euro in der Kasse fehlten. Diese Fälle sorgten vor etwa 10 Jahren für mediale Aufmerksamkeit. Und sogar Talkshows beschäftigten sich mit diesem Thema und wie mit vielen anderen Themen, verschwinden sie auch gleich wieder.
Armut und Hunger – Essen aus dem Müll – während Banker sich ihre Schandtaten mit Millionen versüßen. Es geht auch anders! 2014 schockte eine Meldung: Freispruch im Untreue-Prozess. Die ehemaligen Vorstände der HSH Nordbank um Ex-Finanzvorstand Dirk Jens Nonnenmacher wurden überraschend freigesprochen. Vom 24. Juli 2013 bis zum 9. Juli 2014 musste sich Nonnenmacher – gemeinsam mit fünf seiner früheren Kollegen aus dem Führungsgremium der HSH – vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer 8 des Landgerichts Hamburg für Fehlmanagement (Veruntreuung von Bankvermögen in einem besonders schweren Fall) verantworten. Normalerweise gibt es für Bilanzfälschung bis zu drei Jahre Gefängnis, nicht für Dr. No. und seine Kumpanen. Nonnenmacher soll sogar eine Abfindung von knapp vier Millionen erhalten haben. Siehe auch: Skandalbank HSH Nordbank mit 100 Tochterunternehmen in Steueroasen – kostet uns Steuerzahler ca. 20 Milliarden Euro
Aber auch in der Automobilbranche werden Taten gerne versüßt anstatt bestraft: Das wird nirgendwo deutlicher als beim EX-Volkswagen-Chef Martin Winterkorn. Winterkorn trat im September 2015 im Zuge des VW-Skandals zurück. Sein Vertrag mit Volkswagen lief noch bis Ende 2016, so forderte er auch für diesen Zeitraum die vollen Bezüge in Millionenhöhe. Das sogenannte Ruhegeld soll sich für den 70 Jährigen auf rund 1,2 Millionen Euro jährlich belaufen oder umgerechnet knapp 3100 Euro pro Tag.
Von Armut und Elend in einer reichen Stadt: Flaschen-Sammler soll wegen Diebstahls von Altglas bestraft werden
Bericht von Wolfgang Ihl vom 19. Dezember 2017 bei der Saarbrücker Zeitung online
“Eine schlimme Geschichte aus einer reichen, schönen Stadt. In München sollten ein Rentner und eine Putzfrau bestraft werden, weil sie aus einem Altglascontainer 18 Flaschen im Wert von 1,44 Euro gefischt hatten…” Auch wenn es letztlich, trotz aller Bemühungen der Münchner (weisungsgebundenen) Staatsanwaltschaft (Fall ging bis in die 2. Instanz!) zu keiner Bestrafung kam, sollte die juristische, typisch am kapitalistischen Primat des Privateigentums orientierte Rechtsfindung des Amtsgerichts nachdenklich stimmen: “… Man könne nämlich bei der Berechnung des Wertes der Flaschen nicht einfach deren Pfandwert zu Grunde legen. Dieser Pfandwert der aus dem Container entwendeten Altglasflaschen betrage zwar insgesamt 1,44 Euro. Allerdings würden die Flaschen mit dem Einwurf in den Altglascontainer dem Pfandkreislauf entzogen. (…) „Mit dem Einwurf der Glasflaschen in den Container geht das Eigentum an den Flaschen auf den Betreiber der Altglascontainer über.“ Von ihrem Eigentümer würden solche Pfandflaschen aber nicht aussortiert, sondern mit den anderen Flaschen eingeschmolzen. Maßgeblich für die Berechnung ihres Wertes sei deshalb der Wert, den die insgesamt 18 entwendeten Glasflaschen für diese Recycling-Firma haben. Dieser Wert des eingeschmolzenen Glases sei jedoch „so minimal“, dass er im konkreten Fall gar nicht habe geklärt werden können. Es sei deshalb unklar geblieben, welchen Wert die 18 Flaschen im Rahmen des Recyclingprozesses am Ende überhaupt haben…” Deshalb Freispruch aus Gründen kapitalistischer Logik, nicht wegen der Moral.
Das Asklepios-Fachklinikum Brandenburg hat einen Pflegehelfer nach 15-jähriger Tätigkeit fristlos entlassen. Der Grund: Er habe Brötchen seines Arbeitgebers gegessen und sich somit an dessen Eigentum vergriffen.
Pfleger isst Brötchen und wird dafür fristlos gekündigt https://t.co/JNP8b8YzFC pic.twitter.com/FpbX25e3AR
— Göttinger Tageblatt (@goetageblatt) 3. November 2017
Laut Medien traf die Arbeitsgerichtskammer keine Entscheidung. Richterin Peters machte deutlich, dass zwei alte Scheiben Brot wohl nicht ausreichend für eine Kündigung wären, das regelmäßige Wegnehmen von Lebensmitteln hingegen schon. Die Kammer will sich in der nächsten Verhandlung im Januar ein Bild davon machen, was genau die Arbeitskollegen bezogen auf die Brötchen beobachtet haben. Zwei Zeugen werden geladen. Der Personalleiter soll dem Gericht ein Foto der Klinikbrötchen oder ein Muster der Backware vorlegen.
Beispiel Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil vom 30. Januar 2014 – Az: 2 Sa 243/13
Brot, Butter und Käse geklaut – fristlose Kündigung
„Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise – unabhängig vom Wert des Tatobjekts und der Höhe des eingetretenen Schadens – als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich und rechtswidrig verletzt, verstößt zugleich in schwerwiegender Weise gegen seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen (…)
Der Fall „Emmely“. Eine Kassiererin wurde verdächtigt, Wertbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst zu haben, die ihr vom Filialleiter lediglich zur Verwahrung übergeben worden waren. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied im Jahr 2010, dass in solchen Fällen auch eine Abmahnung ausreiche, man müsse nicht gleich kündigen (Urt. v. 10.06.2010, Az. 2 AZR 541/09).
Anfang 2013 war der Begriff Steuersünder durch den Steuerskandal um Uli Hoeneß in den Medien präsent. Er wurde zu einer Strafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seinen Job als Fußballfunktionär hat er wieder erhalten.
Nicht nur der Bayern-Präsident Uli Hoeneß hinterzog Steuern in Höhe von 28,5 Millionen Euro, nein, auch deutsche und ausländische Banken wie die Hypo-Vereinsbank (HVB) und das Schweizer Geldinstitut Sarasin sollen sich jahrelang systematisch am deutschen Fiskus bereichert haben. Nach Schätzungen der Finanzbehörden könnte sich der Gesamtschaden für Staat und Steuerzahler auf weit über zehn Milliarden Euro belaufen.
Die „prominenten Geldanleger“ wollten nicht gewusst haben, dass sie uns Steuerzahler absichtlich betrogen. Während der wiedergewählte Bayern-Präsident Uli Hoeneß seine Strafe absitzen musste, genießen andere Millionäre scheinbare Unantastbarkeit. Möglich machen es die Finanzminister, die es nicht schafften, eine Gesetzeslücke zu schließen, die diese sogenannten Cum-Ex-Deals erst möglich machte.
Auch die früheren Chefs der HSH Nordbank kamen straffrei davon. Ebenfalls ein Gewinner ist auch der erst im Februar 2017 von der Lufthansa zur Air Berlin gewechselte Thomas Winkelmann. Sein Vertrag läuft bis 2021. Air Berlins Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem CEO können sich bis Ende Januar 2021 auf ca. 4,5 Millionen Euro summieren. Dieser Wechsel hat sich gelohnt.
Justitia in suo cuique tribuento cernitur. Die Gerechtigkeit erkennt man daran, dass sie jedem das seine zuerteilt.
Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v. Chr.)
.Netzfrau Doro Schreier
1 Kommentar » Schreibe einen Kommentar