Polen will das Recht auf Demonstrationen beschränken. Schon länger gibt es Kritik, dass die polnische Polizei und die Justizbehörden Proteste von Regierungsgegnern unterdrücken. Trotzdem gingen am Freitag etwa 100 000 Menschen auf die Straße, weil den Frauen weitere Rechte genommen werden sollen. Die größte Demonstration zog mit etwa 60 000 Teilnehmern durch Warschau. Polen hat eines der strengsten Abtreibungsgesetze in Europa. Ein Versuch, alle Abtreibungen im Jahr 2016 zu verbieten, löste landesweite Proteste von schwarz gekleideten Frauen aus und diese zwangen die Regierung, den Plan aufzugeben. Am sogenannten „schwarzen Freitag“ protestierten, nachdem sich der Rechtsausschuss des Parlaments am Montag, dem 19.März 2018, für den Gesetzentwurf der Volksinitiative „Stoppt Abtreibung“ ausgesprochen hatte, erneut landesweit dunkel gekleidete Frauen, um sich gegen den im Parlament debattierten Gesetzentwurf der Pro-Life-Bewegung „Stoppt Abtreibung“ zu wehren. Wir leben bekanntlich im 21. Jahrhundert und in Europa. Was sich gerade in Polen abspielt, sollte von der Europäischen Kommission unterbunden werden.
Wird Schwarz jetzt die Farbe der protestierenden Frauen? Müssen Frauen in der heutigen Zeit sich erneut zur Wehr setzen?
Listen to my @amnesty colleague @mcostariba at the #StrajkKobiet outside the Polish Embassy in London. This is about human rights. We have a clear message to Polish politicians: #stoptheban! #solidaritywithpolishwomen #czarnypiatek pic.twitter.com/nlnedkWyj1
— Lene Christensen (@ChristensenLene) 23. März 2018
Im Oktober 2016 nahmen die Frauen in Argentinien sich die Frauen aus Polen als Vorbild und demonstrierten ebenfalls schwarz gekleidet und riefen den Generalstreik aus, nachdem eine Demonstration von Frauen gewaltsam von der Polizei aufgelöst wurde. Alle Frauen, die nicht an dem Generalstreik teilnehmen konnten, hängten schwarze Tücher aus den Fenstern. Nachdem erst am 08. März 2018 die spanischen Frauen den Generalstreik ausriefen und ganz Spanien lahm legten, demonstrieren jetzt in Polen Zehntausende Frauen gegen die seit 2015 regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die eine konservative Familienpolitik verfolgt. Das hat sie mit vielen katholischen Bischöfen im Land gemeinsam. Zusammen versuchen Kirche und Politik, die Gesellschaft umzugestalten.
Teraz. #Bruksela #CzarnyPiątek #CzarnyProtest @Dziewuchy @strajkkobiet #women protesting restrictions of anti-abortion law. #abortionban pic.twitter.com/lTXjFWK6cb
— Kasia Mortoń (Kate) (@K_E_Morton) 23. März 2018
Die Europäische Union hat Polen mit Milliarden Euro finanziell unterstützt, und obwohl Milliarden Euro nach Polen weiterhin fließen, hat die EU nicht verhindert, dass das polnische Unterhaus trotz heftiger Proteste für die umstrittene Neuordnung des Verfassungsgerichts gestimmt hatte. Seit 2015 schaut man aus der EU zu und erfreut sich, dass Polen ein guter Standort für Investoren ist, wie man auch noch 2016 oder 2017 lesen kann: Ausländische Investoren sollen Polen innovativer machen – und wie sieht es bei Menschenrechten aus? Es scheint bereits normal zu sein, dass erst der Profit zählt. Sogar der frühere Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa hat angesichts der Spaltung des Landes sogar Ende 2015 vor einem Bürgerkrieg gewarnt.
Polen – Förderung durch die EU!
Polen (EU-Mitglied seit 1. Mai 2004) will die Überwachung seiner Grenze zur russischen Enklave Kaliningrad mit dem Bau mehrerer Wachtürme verstärken. Die zwischen sechs und bis zu 50 Meter hohen Wachtürme sollen Baukosten in Höhe von mehr als 14 Millionen Zloty (3,7 Millionen Euro) betragen und würden zu drei Vierteln aus einem EU-Fonds für die Sicherung der Außengrenzen der Europäischen Union finanziert.
In der neuen EU-Finanzperspektive 2014 – 2020 wurde Polen eine Rekordsumme von mehr als 82,5 Milliarden Euro an Fördermitteln gewährt.
Vorgesehene finanzielle Mittel Polens nach Zielen (in Mio. Euro) (Tab. 1)
2014 bis 2020 | |
Forschung und Innovation | 9.989,3 |
Informations- und Kommunikationstechnologien | 3.082,2 |
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen | 9.401,0 |
Unterstützung der Umstellung auf eine CO2-arme Wirtschaft | 9.189,9 |
Insgesamt | 31.662,4 |
Quelle: http://www.funduszeeuropejskie.gov.pl
Vorgesehene finanzielle Mittel Polens nach EU-Fonds (in Mio. Euro) (Tab. 2)
2014 bis 2020 | |
EFRE | 40.213,9 |
KF | 23.208,0 |
ESF | 13.192,2 |
Connecting Europe | 4.137,2 |
Territoriale Zusammenarbeit | 700,5 |
Quelle: http://www.funduszeeuropejskie.gov.pl
Siehe auch: Finanzielle Hilfe: Milliarden Euro für EU-Beitrittskandidaten (incl. Türkei)
Thousands of people have taken to the streets of Poland in protest of the government’s intentions to tighten the country’s abortion laws#CzarnyPiątek pic.twitter.com/JddtOoxEM6
— dwnews (@dwnews) 24. März 2018
„Mein Körper. Meine Entscheidung.“
Das hatten wir schon einmal in der Geschichte. Die Abtreibung ist nur erlaubt, wenn das Leben des Fötus gefährdet ist, eine ernste Gefahr für die Gesundheit der Mutter besteht oder die Schwangerschaft durch Vergewaltigung oder Inzest verursacht wurde. Auch 200 überwiegend ausländische Menschenrechts- und Frauenorganisationen warnten davor, Schwangerschaftsabbrüche fast ganz zu verbieten. Durch die geplante Gesetzesverschärfung würden die Gesundheit und das Leben von Frauen gefährdet und Polens Verpflichtung, die Menschenrechte einzuhalten, verletzt, heißt es in einem gemeinsamen Appell.
Neues Gesetz: Polen geht gegen Umweltschützer bei COP24 vor
Und schon kommt die nächste erschreckende Nachricht aus Polen. Laut Deutsche Welle vom 26. März 2018 hebt Polen für die Zeit der Weltklimakonferenz Ende des Jahres das Versammlungsrecht auf und erhöht die staatliche Überwachung. NGOs fürchten, dass dadurch Umweltschützer mundtot gemacht werden. Die Allianz der NGOs ruft in ihrer Stellungnahme die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf Warschau auszuüben. „Polen hat einschlägige internationale Abkommen unterzeichnet. Die EU- und UN-Mitgliedsstaaten müssen darauf bestehen, dass das Gesetz aufgehoben wird. Es wäre ein schrecklicher Präzedenzfall, wenn das so weiter gehen würde“, so Gabizon von Women in Europe for a Common Future (WECF).
Es wäre nicht das erste Mal, dass Polen das Recht auf Demonstrationen beschränkt. Im Oktober hat Amnesty International Warschau aufgefordert, das Versammlungsrecht zu respektieren. Die Menschenrechtsorganisation behauptet, die polnische Polizei und die Justizbehörden würden Proteste von Regierungsgegnern unterdrücken.
Die seit Ende 2015 regierende PiS-Partei prägt mit ihrer politischen Einflussnahme auf öffentlich-rechtliche und künftig auch private Medien die polnische Medienlandschaft und Pressefreiheit entscheidend. Laut „Reporter ohne Grenzen“ stand das Land 2015 auf Platz 18, im Ranking 2017 steht Polen auf den 54. Platz.
Netzfrauen
Steuergelder für billiges Geflügelfleisch aus Polen – Das unsägliche Leid der Martinsgänse
Proteste der Omas und Opas – wenn die Alten die Wütenden sind! Wir sind Rentner, keine Terroristen