Was diese Kinder gemeinsam haben, ist, dass sie indigen sind und dass sie alle sich in Pflegeeinrichtungen in der Provinz Manitoba befanden.
Sie sind nur eine Handvoll der Hunderten, die während des vergangenen Jahrzehnts in Pflegeunterbringungen gestorben sind. Für die mehr als 10 000 indigenen Kinder ist die Pflegeunterbringung das neue Internat mit vielen Missbräuchen während des Besuchs.
Indigene Kinder wurden gewaltsam von ihren Familien und Gemeinden getrennt und in Internaten untergebracht, wo viele von ihnen verhungerten, vernachlässigt und gequält wurden, auch durch medizinische Experimente, und auch körperlich und sexuell missbraucht wurden. Mehr als 6000 jener Kinder kamen nicht lebend aus solchen „Schulen“ heraus. Überlebten sie die Zeit, so leiden sie und ihre Familien und Gemeinden unter Traumata, und das in allen Generationen.
Kanada hat im Fall von Tina Fontaine versagt, so die Führer der Indigenen
Zwar wurde das letzte Internat 1996 geschlossen, damit endeten die Missbrauchsfälle jedoch nicht. Heutzutage werden mehr indigene Kinder gewaltsam von ihren Eltern getrennt und in Pflegeeinrichtungen gebracht als zur Hoch-Zeit der Ära der Internate. Insgesamt machen die Indigenen weniger als sieben Prozent der Bevölkerung aus, jedoch beträgt der Anteil indigener Kinder in kanadischen Pflegeeinrichtungen mehr als 48 Prozent. In Manitoba sind es sogar heftige 85 Prozent.
Jane Philpott, Ministerin für indigene Angelegenheiten, beschreibt diese Situation als „humanitäre Krise“. Doch trotz unermüdlichen Eintretens durch die Führer der First Nations, durch Experten für Kindeswohl und normaler Bürger haben die bundesstaatlichen und die Provinzregierungen keine nennenswerten Verbesserungen erreicht.
Zum Gedenken an Tina Fontaine halten Menschen Spruchplakate hoch während einer der vielen Kundgebungen im ganzen Land (Graham Hughes/The Canadian Press)
Tatsächlich ist während des vergangenen Jahrzehnts die Zahl der indigenen Kinder in Pflegeeinrichtungen gestiegen – nicht zurückgegangen. Dr. Cindy Blackstock, Vorsitzende der Gesellschaft für Kinder- und Familienfürsorge der First Nations, hat gegen die Bundesregierung eine erfolgreiche Klage wegen Diskriminierung eingereicht, da diese gezielt und ständig Kinder- und Familienfürsorgeeinrichtungen für die First Nations unterfinanziere. Doch trotz ihres juristischen Erfolgs weigert sich Kanada, die Diskriminierung der indigenen Kinder in Pflegeeinrichtungen zu beenden, und dies trotz der evidenten Tatsache, dass die Unterfinanzierung dieser Einrichtungen entscheidend zu der hohen Zahl indigener Kinder in diesen beiträgt.
Lebensgefahr
Diese Situation sollte als nationale Krise betrachtet werden. Nicht nur sterben Kinder in den Einrichtungen, jene, die überleben, erwartet eine Gefahr für ihr [weiteres] Überleben, für die sie keine Schuld tragen. In British Columbia stellte man fest, dass [nur] die Hälfte aller Internatskinder einen High-School-Abschluss bekommen. Indigene Jugendliche machen einen Anteil von 35 Prozent an Jugenddelikten aus. Eine Studie von 2001 stellte fest, dass zwei Drittel aller inhaftierten Indigenen eine Internatsvorgeschichte. Diese Statistik ist wirklich alarmierend.
Leider umfasst ihr Risikopotenzial nicht nur die Folgen schlechter Ausbildung und Straffälligkeitsraten. Die Hälfte aller Opfer von Sexhandel sind Indigene. Ein Bericht von „Globe and Mail“ von 2016 stellte fest, dass sie allein in Toronto 20 Prozent aller Sexhandel-Opfer ausmachen, obwohl ihr Anteil an der Bevölkerung weniger als ein Prozent beträgt. In Edmonton waren 40 Prozent aller Sexhandel-Opfer Indigene.
Es gibt [hierzu] keine zentrale Datenbank, aber die RCMP [Royal Canadian Mounted Police] bemerkt hierzu, Mädchen unter 18 Jahren seien einem besonderen Risiko ausgesetzt.
Laut den berichteten Informationen kamen die meisten dieser Opfer aus den Pflegeeinrichtungen. Hierin liegt der Zusammenhang zwischen Pflege und der Krise ermordeter und vermisster indigener Frauen und Mädchen. Indigene Kinder in der Pflege sind in besonderer Weise sie missbrauchenden Pflegeeltern, Vergewaltigern, Sexhändlern und einer Gesellschaft ausgesetzt, die seit Langem die sexualisierte Gewalt gegen indigene Frauen und Mädchen ignoriert.
Verwundbare Zielgruppe
Was bleibt, ist der unangenehme Aspekt dieser Krise – in der Ärzte, Rechtsanwälte, Polizeibeamte, Richter und einige Pflegeeltern indigene Pflege-Kinder als verwundbare Zielgruppe für sexualisierte Gewalt ansehen. Human Rights Watch veröffentlichte 2013 zahlreiche Berichte über sexualisierte Gewalt und Vergewaltigungen, die von Beamten der RCMP in British Columbia an indigenen Frauen und Mädchen begangen hatten. Mehr als acht Beamte wurden nach vielen Berichten über sexualisierte Gewalt gegen indigene Frauen und Mädchen in Val d’Or, Quebec, beurlaubt. Richter David Ramsay starb im Gefängnis, nachdem er zugegeben hatte, sich an indigenen Mädchen sexuell vergangen zu haben.
Diejenigen, deren Aufgabe es ist, sich um indigene Kinder in der Pflege zu kümmern, sind in einigen Fällen selbst zu Vergewaltigern geworden.
Das ist kein Wunder nach dem „Scoop“ der Sechziger Jahre – der massenhaften Adoption indigener Kinder durch nicht-indigene Familien – die zu einem regelrechten Handel mit indigenen Kindern geworden war. Ein Bericht aus British Columbia stellte fest, dass indigene Kinder vier Mal so stark sexuellem Missbrauch in Pflege ausgesetzt sind wie nicht-indigene Kinder. Von diesen in Pflege Missbrauchten waren zwei Drittel indigene Mädchen. In [ganz] Kanada wurden mehr als 4000 indigene Frauen und Mädchen ermordet oder werden vermisst.
Die Untersuchung der MMIWG
Auf nationaler Ebene hat diese Untersuchung noch nicht einmal damit begonnen, sich die systembedingten Verhältnisse anzuschauen. Wir können [jedoch] bereits auf der Basis von Aussagen der Familien und von Berichten jener Behörden, die mit Opfern arbeiten, voraussagen, das beinahe die Hälfte der Ermordeten und Vermissten in Verbindung mit dem Pflegesystem standen.
Wir sind nicht darauf angewiesen, auf den Bericht der nationalen Untersuchung zu ermordeten und vermissten indigenen Frauen und Mädchen zu warten, sondern können bereits jetzt die Dominanz des Pflegesystems mit den Ermordeten und Vermissten in Verbindung bringen. Bei all dem, was wir bereits jetzt über die Krise der indigenen Kinder in Pflege wissen, ist der wichtigste Schritt zu einer wirklichen Veränderung, damit aufzuhören,. indigene Kinder willkürlich aus ihrer familiär-gesellschaftlichen Umgebung herauszureißen und sie quasi „festzunehmen“.
Dies würde natürlich eine Krise im gegenwärtigen Kindes-Wohlfahrtssystem hervorrufen, aber was Kanada wirklich benötigt, ist eine Krise der Veränderung. Nur dies wird Bundes- und Provinzregierungen dazu zwingen nach Alternativen zu suchen, ihre Finanzbudgets neu aufzuteilen und unzählige Wege zu finden, indigene Kinder bei ihren Eltern, in ihren Großfamilien oder Gemeinden zu belassen.
Es reicht nicht, sich für die Internate und den „Scoop“ der Sechziger Jahre zu entschuldigen und dann uns unsere Kinder einfach weiter zu entreißen. Das Pflegesystem tötet unsere Kinder. Die Zeit ist gekommen, jetzt damit aufzuhören.
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Foster care system one of the paths to murdered and missing Indigenous women
Indigenous children in foster care vulnerable to sexual abuse, fall prey to opportunistic predators
Tina Fontaine’s body was pulled from the Red River in Winnipeg on Aug. 17, 2014. It was wrapped in a duvet cover and weighed down with rocks. (Tina Fontaine/Facebook)
Tina Fontaine was 15 when she was killed and her body thrown in the Red River. Phoenix Sinclair was five when she was beaten to death and her body hidden away in a landfill. Her death went undetected for nine months. Cameron Ouskan, who was regularly bruised and had head injuries, was only 13 months old when he died.
What these children all have in common is that they were Indigenous and they were all in foster care in the province of Manitoba.
They are just a handful of the hundreds that have died in foster care in the last decade. For the more than 10,000 Indigenous children in Manitoba, foster care has become the new residential school with all its attending abuses.
In residential schools, Indigenous children were forcibly removed from their families and communities and placed into boarding schools where many were starved, neglected, tortured, medically experimented on, and physically and sexually abused. More than 6,000 of those children never made it out of those „schools“ alive. Of those that did survive, they and their families and communities have suffered inter-generational trauma.
Tina Fontaine met social workers, police and health-care workers — but no one kept her safe
However, the abuse did not end with the closing of the last residential school in 1996. Today, there are more Indigenous children forcibly removed from their parents and placed into foster care than at the height of the residential school era. Despite being less than seven per cent of the population, in 2011, Indigenous children represented more than 48 per cent of all children in care in Canada. In Manitoba, that number was a staggering 85 per cent.
Jane Philpott, minister of Indigenous Services, has described the situation as a „humanitarian crisis,“ yet despite strenuous advocacy from First Nation leaders, child welfare experts and regular citizens, the federal and provincial governments have not made any substantive improvements.
In fact, in the last decade, the number of Indigenous children in care is increasing – not decreasing. Dr. Cindy Blackstock, who heads the First Nations Child and Family Caring Society, filed a successful discrimination complaint under the Canadian Human Rights Act against the federal government for purposely and chronically underfunding child and family services for First Nations.
Despite her legal victory, Canada has refused to stop discriminating against First Nations kids in care. This is despite the fact that the government’s own records showed that underfunding First Nation child and family services is a major contributor to the over-representation of First Nation kids in care.
Life risks
This situation should be considered a national crisis. Not only do Indigenous children die in foster care, those that survive face incredible life risks not of their own making. British Columbia found that less than half of foster children graduate from high school. Indigenous youth make up 35 per cent of all youth in criminal corrections. A 2001 study found that two-thirds of all Indigenous people in prison had been involved in the child welfare system. That is a pretty startling statistic.
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However, their risks don’t end with lower educational outcomes and prison rates. Half the victims of sex trafficking in Canada are Indigenous. A 2016 Globe and Mail report found that in Toronto despite being less than one per cent of the population, they represent 20 per cent of the trafficking victims. In Edmonton, 40 per cent of victims of trafficking are Indigenous.
While there is no central database, the RCMP have noted that Indigenous girls under 18 are most at risk.
Of the information that has been reported, the majority of victims came from foster care.
Therein lies the tie between foster care and the crisis of murdered and missing Indigenous women and girls. Indigenous children in care are the most vulnerable to abusive foster parents, sexual predators, manipulative traffickers and a society that has long ignored the sexualized violence committed against Indigenous women and girls.
Vulnerable targets
What remains is the uncomfortable part of this crisis – where doctors, lawyers, police officers, judges, and some foster parents see Indigenous children in foster care as vulnerable targets for sexualized violence.
In 2013, Human Rights Watch documented numerous reports of sexualized violence and assaults committed by RCMP officers in B.C. against Indigenous women and girls. More than eight officers were put on leave after many reports of sexualized violence committed against Indigenous women and girls in Val d’Or, Que. Judge David Ramsay died in jail after pleading guilty to targeting Indigenous girls for sexualized violence.
Those whose job it is to protect Indigenous children in foster care have, in some cases, become the opportunistic predators.
This should come as no surprise after the Sixties Scoop – the massive adoption of Indigenous children into non-Indigenous homes – became a buy-sell-trade industry of Indigenous children.
A report from B.C. found that Indigenous children are four times more likely to be sexually abused in foster care than non-Indigenous children. Of those who were abused in foster care, two-thirds of those were Indigenous girls. There are more than 4,000 murdered and missing Indigenous women and girls in Canada.
MMIWG inquiry
While the struggling national inquiry hasn’t even begun to look at the systemic issues yet, we can predict based on testimonies from the families and reports from those agencies who work with victims, that close to half of the murdered and missing were connected with the foster care system.
We don’t need to wait for the report of the national inquiry on murdered and missing Indigenous women and girls to link over-representation in foster care to murdered and missing. With all that we already know about the crisis of Indigenous children in foster care, the most important step toward real change would be to stop apprehending Indigenous children.
This would indeed create a crisis within the current child welfare system but what Canada needs is a crisis of change. Only a crisis of change will force federal and provincial governments to find other alternatives, to re-allocate their budgets and find a myriad of ways to keep Indigenous children with their parents, extended families or communities.
It is not good enough to apologize for residential schools and the Sixties Scoop and then keep taking our children. Foster care is literally killing our children. It is time for it to stop.
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