Die plötzliche Bildung eines Netzwerks von Flüssen in Argentiniens zentraler Provinz San Luis stellt Wissenschaftler vor ein Rätsel, beunruhigt Umweltschützer und ängstigt Farmer. Der neue Wasserlauf richtet auf Ackerland und an Straßen Schaden an und bedroht sogar eine Stadt – aber es zeigt auch auf, welchen Preis das Land möglicherweise für seine Abhängigkeit von Sojabohnen zahlt, denn in Argentinien wächst die Anbaufläche von Soja rasant.
Wenn die Natur sagt ‚Es reicht!‘: der Fluss, der in Argentinien über Nacht auftauchte
Der argentinische Fluss, der 2015 plötzlich erschien – Luftaufnahme per Drohne
Nach einer Nacht mit heftigem Regen wachte Ana Risatti von einem unheimlichen Getöse draußen auf. Sie hielt den Lärm für den weiter anhaltenden Regenfall. Darum ging sie hinaus, um nachzusehen.
„Ich wurde fast ohnmächtig, als ich sah, was das wirklich war“, sagte die 71-Jährige. Statt vom Himmel zu fallen, hatte sich das Wasser, das sie hörte, einen tiefen Weg durch eine tiefe Rinne über Nacht gebahnt, gerade jenseits des Zauns um ihr Grundstück.
Die plötzliche Bildung eines Netzwerks von Flüssen in Argentiniens zentraler Provinz San Luis stellt Wissenschaftler vor ein Rätsel, beunruhigt Umweltschützer und ängstigt Farmer. Sie wirft auch [Zweifel und] Fragen auf hinsichtlich der der Umweltauswirkungen von Argentiniens Abhängigkeit von Sojabohnen auf, des wichtigsten Exportguts.
„Das Getöse war furchterregend“, erinnert sich Risatti an jenen Morgen vor drei Jahren, Das Land war aufgeschlitzt wie ein Canyon. Wasser schoss da durch, soweit ich sehen konnte. Riesige Mengen Erde, Gras und Bäume wurden mitgerissen“.
Die Schlucht, die sich so dramatisch ihren Weg neben Risattis Farm gebahnt hatte, ist inzwischen 25 km lang geworden. An ihrem tiefsten Punkt ist sie mehr als 60 Meter breit und 25 Meter tief.
Der größte von einigen neuen Wasserläufen, der Rio Nuevo (Neuer Fluss), verläuft durch die Cuenca del Morro, ein Grundwasserbecken mit einem leichten Gefälle, das ein knapp 400 km2 flaches Gelände in der Provinz San Luis bedeckt.
Bis in die frühen 1990er Jahre hinein war das Morro-Becken ein Flickenteppich von wasserspeichernden Wäldern und Wiesenflächen gewesen, aber diese sind weitgehend verschwunden, ersetzt durch Mais- und Sojafelder.
Argentiniens Wandel zu einem machtvollen Sojaproduzenten hatte eine riesengroße Entwaldung zur Folge. Die neuen Ackerpflanzen bedecken inzwischen 60 % des kultivierbaren Landes. Etwa 24.000 km2 Urwald sind laut Greenpeace in den letzten 10 Jahren verlorengegangen.
Esteban Jobbágy: ‚Argentinien ist eine Bananenrepublik, in der die Sojabohne die neue Banane ist‘.
Esteban Jobbágy, Umweltexperte der Universität von San Luis, führt das plötzliche Auftauchen neuer Flüsse auf das Zusammentreffen dreier Faktoren zurück: „Erstens hat es infolge des Klimawandels in den letzten Jahren sehr regenreiche Jahre gegeben. Sodann sind die Böden, die wir hier haben, von Natur aus sehr instabil. Drittens trifft dieses Wassereinzugsgebiet zum ersten Mal auf so viel Landwirtschaft.“
Argentinien ist nach den USA und Brasilien weltweit der größte Sojaproduzent mit 18 % der Weltproduktion. 2016 machten Sojabohnen, Sojamehl und Sojaöl zusammen 31 % des gesamten Export des Landes aus. „Argentinien ist eine Bananenrepublik mit der Sojabohne als neue Banane“, so Jobbágy. „Ohne Sojabohnen könnten unsere Farmen nicht überleben – und das Land auch n
Anders als die tief wurzelnden Wälder, die sie ersetzte – die große Mengen an Grundwasser das ganze Jahr über speicherten – hat die Sojapflanze kurze Wurzeln und wächst nur während weniger Monate im Jahr.
Dies führte zu einem Anstieg der wasserführenden Schicht im Morro-Becken und beschleunigte die unterirdische Strömung – und löste so den Zusammenbruch des kultivierbaren Bodens aus.
Um 2008 herum begannen Farmer, vom Auftauchen flacher Abflussläufe zu berichten, aber in den letzten fünf Jahren hat sich die Geschwindigkeit der Erosion dramatisch erhöht – aus diesen Ablussläufen wurden tiefe Gräben.
Jobbágy klettert an der Seite einer dieser Erosionsrinnen herunter, greift in die Erdmauer und schon löst sich ein Erdklumpen in seiner Hand auf. „Es handelt sich de facto um Staub“, sagt er.
„Wenn er durchnässt wird, wird er instabil und sofort flüssig. Auf diese Weise nimmt dieser kleine Fluss trotz des relativ geringen Gefälles eine Menge an Sedimenten mit“, erklärt er.
Dies führt zu einem weiteren Problem für die Farmer: Manchmal können über Nacht ganze Felder verschwinden, wenn die Flüsse Sedimente von bis zu einem Meter Dicke mitreißen.
Alberto Panza, ein 41 Jahre alter Vieh-Farmer, ist einer der Wenigen, die ihr Land nicht an die gigantischen Sojafirmen verpachten, die bereits viele argentinische Farmer haben aufgeben lassen.
Während er seinen ramponierten Pickup-Truck über einen Schotterweg fährt, sagt Panza, wie verlassen das Land heute aussieht: Es gibt keine Gauchos mehr – die argentinischen Cowboys, die ohne Sattel durch die Felder ritten. Farmhäuser wurden zerstört, um den Sojaproduzenten weiteres Land zu überlassen.
„Viele Farmer leben heute in der Stadt“, sagt Panza. „Es ist einfacher wegzuziehen und dein Land an eine Firma zu verpachten, als es selbst zu bewirtschaften“.
Angekommen auf seiner Ranch, geht Panza in etwas hinein, das am ehesten als Marslandschaft bezeichnet werden kann. Mitten in einem Feld klafft plötzlich ein gigantischer Canyon, der mehr als 60 Meter breit und 25 Meter tief ist und an dessen Grund ein trügerisch langsamer Wasserstrom verläuft.
Panzas Farm wurde durch diesen Canyon in zwei Stücke gerissen. „Dies war einst vollkommen flaches Weideland“, sagt er. Ein hoher Strommast, dessen Kabel immer noch mit den Masten auf der anderen Seite verbunden sind, liegt auf dem Flussbett. Weil der Fluss ständig seinen Lauf verändert, kann Panza keine Brücke oder einen Fußweg durch den Lauf bauen, um die andere Seite seines Landes zu erreichen.
Weniger als ein Drittel des Morro-Beckens ist weiterhin mit Wald und Weideland bedeckt – dagegen beinahe die Hälfte für Soja und Mais umgewidmet. Inzwischen schreitet die Regierung von San Luis ein, um zu verhindern, dass das Morro-Becken zu einem Flussdelta wird.
Die Regierung reagierte, nachdem neue Wasserläufe den Stadtrand der Stadt Villa Mercedes und zwei Hauptstraßen bedrohte, über die ein großer Teil des Überland-Warentransports zwischen Argentinien und dem Nachbarstaat Brasilien rollt.
Im Büro von San Luis des nationalen Instituts für landwirtschaftliche Technologie (Inta) haben drei Wissenschaftler – Claudio Sáenz, Juan Cruz Colazo und Mario Galván – in den letzten zehn Jahren das Morro-Becken untersucht. Ihnen ist es zum Teil zu verdanken, dass die Provinzregierung 2016 ein Notstandsgesetz verabschiedete, das Landbesitzer dazu verpflichtet, 5 Prozent ihres Landes als Wald oder Weideland zu belassen und Pflanzen anzubauen, die viel Wasser benötigen, wenn ihr Land gerade nicht für Sojabohnen gebraucht wird.
„Laut Regierung kommen bis jetzt ungefähr 60 Prozent der Farmer im Becken dieser Verpflichtung nach“, sagt Galván. „Aber dies ist nur ein Sandkorn“, warnt Sáenz.
„Der Verlust der kleinen Farmen hat das Problem verschlimmert: Die großen Agro-Firmen haben wenig Interesse an rotierendem Pflanzenanbau oder an der Erhaltung der Bodennachhaltigkeit“, sagt er.
„Wenn ein Grundstück unbenutzbar wird, wandern sie weiter, um Land anderswo zu pachten, und lassen den Landbesitzer mit dem Problem allein. Dieses System höhlt nicht nur den Boden aus, sondern zerstört auch das landwirtschaftliche Wissen der Landbesitzer“.
Jobbágy verbringt einen großen Teil seiner Zeit auf den Feldern, vermisst die Strömung der neuen Flüsse, versucht, ihre ständig wechselnden Verläufe zu kartieren, und nimmt Verbindung zu den wenigen verbleibenden Farmern auf.
„Viele Landbesitzer haben ein sehr gespaltenes Verhältnis zu ihrem Land“, sagt er. „Durch die Zerstörung der Farmhäuser verliert das Land seine Seele. Solange das System funktioniert, ist alles gut. Wenn die Natur aber rebelliert und sagt: ‚Es reicht!‘, ist die Situation nur sehr schwer umzukehren“.
Dieser Bericht wurde mit Unterstützung der Lookout Station des European Forest Institute and Lookout Station veröffentlicht – der neuen Initiative des EFI, die Journalismus und Wissenschaft beim Thema Klimawandel miteinander verbindet.
A new watercourse is playing havoc with farmland and roads and even threatening a city – but also highlights the potential cost of the country’s dependence on soya beans
When nature says ‚Enough!‘: the river that appeared overnight in Argentina
A new watercourse is playing havoc with farmland and roads and even threatening a city – but also highlights the potential cost of the country’s dependence on soya beans https://t.co/Ast8ms0vtV— Cleaner Seas Project (@BudeCleanerSeas) April 2, 2018
After a night of heavy rainfall, Ana Risatti woke to an ominous roar outside her home. Mistaking the noise for a continuation of the night’s downpour, she stepped outside to look.
“I nearly fainted when I saw what it really was,” said Risatti, 71. Instead of falling from the sky, the water she heard was rushing down a deep gully it had carved overnight just beyond the wire fence around her home.
The sudden appearance of a network of new rivers in Argentina’s central province of San Luis has puzzled scientists, worried environmentalists and disheartened farmers. It has also raised urgent questions over the environmental cost of Argentina’s dependence on soya beans, its main export crop.
“The roar was terrifying,” said Risatti, remembering that morning three years ago. “The land had opened up like a canyon. Water was pushing through as far as I could see. Huge mounds of earth, grass and trees were being carried along the water surface.”
The ravine that carved its way so dramatically across Risatti’s farm that night has by now grown 15-miles (25km) long. At its deepest point, it measures more than 60 metres wide and 25 metres deep.
The largest of several new water courses, the Río Nuevo (New river) runs through Cuenca del Morro, a groundwater basin with a mild incline covering 373,000 hectares (nearly 1,500 sq miles) of flatlands in the province of San Luis.
Until the early 1990s, the Morro basin was a patchwork of water-absorbing forests and grasslands, but they are mostly gone, replaced by maize and soya beans.
Argentina’s transformation into a soya bean powerhouse has resulted in widespread deforestation to make way for the crop, which now covers of 60% of the country’s arable land. Some 2.4m hectares of native forest have been lost in the last 10 years, according to Greenpeace.
Esteban Jobbágy: ‘Argentina is a banana republic where soya bean is the new banana.’ Photograph: Uki Goñi for the Guardian
Esteban Jobbágy, an environmental expert at the University of San Luis, said the sudden appearance of new rivers was due to the convergence of three factors: “Number one, we have been going through rainy years in the recent past – climate has been changing. Next, the nature of the soils that we have here, which are quite unstable. And third, the fact that this watershed is hosting a lot of agriculture for the first time.”
Argentina is the world’s third largest soya bean producing nation, after the US and Brazil, and accounts for 18% of global production. In 2016, combined exports of soya beans, soya meal and soya bean oil made up 31% of the country’s total exports.
“Argentina is a banana republic where soya bean is the new banana,” says Jobbágy. “Without soya bean our farms couldn’t survive – and the country couldn’t survive either. Read more: HERE
Netzfrau Ursula Rissmann -Telle
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