Nach Syrien kommt Gott nur noch zum Weinen. Der syrische Krieg war eine sich langsam entwickelnde Katastrophe, die fast die ganze Welt erfasst hat. Das Leben von Millionen Kindern und Familien wurde zerstört. Mehr als 7,6 Millionen syrische Kinder sind auf Hilfe angewiesen. Wir erhielten aus Finnland einen Kommentar von Martti Ahtisaari, Ex-Präsident von Finnland und Friedensnobelpreisträger, hinsichtlich der UNO.
Ahtisaari: Ich glaube an die UNO, aber sie muss ihr Gewissen hinsichtlich Syrien überprüfen
Der UN-Sicherheitsrat hat sich darauf fokussiert, auf politischem Gebiet Punkte zu sammeln, anstatt sich um die schlimmste humanitäre Krise unserer Zeit zu kümmern.
Der Himmel über Damaskus ist von Raketenfeuer erleuchtet: ‚Militärische Handlungen haben nie je zu einem dauerhaften Frieden geführt.‘
Die andauernde Tragödie in Syrien lastet seit den letzten Tagen besonders schwer auf mir. Sieben Jahre Krieg. Mindestens eine halbe Million Tote. Mehr als 5 Millionen Flüchtlinge. Wie auch immer man es betrachtet, dauert der Krieg in Syrien viel zu lange.
Die alarmierenden Ereignisse der vergangenen Woche haben uns an den hohen Preis der Untätigkeit erinnert.
Der Verdacht des Gebrauchs chemischer Waffen in Syrien sowie die Eskalation der Kämpfe an verschiedenen Fronten müssen ernst genommen werden. Nicht nur, weil die Internationale Gemeinschaft dem Verbot chemischer Waffen zugestimmt hat, sondern vor allem wegen des umfassenden Leids, das die Angriffe und Jahre der Kriegshandlungen der syrischen Bevölkerung zugefügt haben.
Zugleich beschwören Kriegsrethorik und Drohungen seitens Washingtons und Moskaus das Gespenst einer globalen Konfrontation herauf.
Die gegenwärtige Situation ist besonders alarmierend, weil sie vermeidbar ist. Hinter ihr steckt der Mangel an politischem Willen bei den Großmächten, der erforderlich wäre, um eine Krise zu meistern, die sie selbst maßgeblich geschürt haben. Es ist höchste Zeit, dass die Internationale Gemeinschaft sich an ihre Verantwortung für die Mithilfe beim Beenden dieser Krise erinnert.
Die UNO spiegelt wohl oder übel den Willen der Internationalen Gemeinschaft wider und trägt die Verantwortung für die Bewahrung des Friedens. In Syrien hat sie versagt.
Von außenstehenden Kräften und Mächten wird Syrien als „Spielplatz“ zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen angesehen, was den Konflikt noch komplizierter macht. Dieser Fokus auf geopolitische Interessen schiebt die humanitäre Tragödie, die der Krieg verursacht, aufs Abstellgleis.
Die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sollten einen langen, unerbittlichen Blick in den Spiegel tun. Im Verlauf des Krieges hat dieser Rat auf ganzer Linie versagt. Auf unverantwortliche Weise wurde das Veto eingesetzt, um zu blockieren und zu verschleiern. Permanente Mitglieder konzentrieren sich [eher] darauf, zu Hause und bei ihren Bündnispartnern politisch zu punkten, anstatt eine gemeinsame Basis aufzubauen und [so wahre] Führungsqualitäten zu zeigen.
2015 steigerte Russland auf dramatische Weise sein Engagement in Syrien, um seinen Bündnispartner zu retten. Viele Tote und viel Zerstörung im Land sind auch ein direktes Ergebnis dessen. Russland darf sich nicht aus seiner Verantwortung für die Handlungen des syrischen Regimes stehlen.
Die Schwierigkeiten, machbare Lösungen zu finden, sind keine Entschuldigung dafür, es nicht zu versuchen. Am Freitag entschieden sich die USA für eine nachdrückliche Reaktion. Jetzt, nachdem sich der aufgewirbelte Staub darum verflogen ist, kann ich mir nicht ausmalen, wie auf diese Weise Friedensverhandlungen in Syrien wieder aufgenommen werden sollen. Militärische Handlungen haben nie je zu einem nachhaltigen Frieden geführt. Darum sollten sich die USA und Russland zusammen mit anderen Mächten, die in diesen Konflikt involviert sind, gemeinsam bemühen, ein Abkommen zu Syrien zu erreichen, und zwar ohne zu zögern. Solange sie es nicht tun, wird Syrien Zeugnis von der beschämenden Untätigkeit der Internationalen Gemeinschaft ablegen angesichts einer weiteren Krise, die hätte verhindert werden können.
Syrien ist ein tragisches Chaos und die gegenwärtige Krise erinnert uns daran, dass die UNO dringend als Forum für Dialog und Fried benötigt wird. Desaster geschehen [nun mal] und bei der Menge an Material, wie sie derzeit eingesetzt wird, können die Kosten unvorstellbar hoch sein. Den USA und Russland kommt eine wichtige Rolle beim Finden eines Auswegs aus diesem Dilemma zu. Es gibt [durchaus] eine gemeinsame Basis, auf der man aufbauen kann. Niemand kann davon profitieren, wenn Syrien im Herzen des Mittleren Ostens als Staat scheitert.
In seinem Kern bringt der Krieg Syrer gegen Syrer auf wegen ihrer gemeinsamen Zukunft. Ohne die Einbeziehung vieler syrischer Stimmen in jedem politischen Prozess zur Bestimmung ihrer gemeinsamen Zukunft kann es keine dauerhafte Übereinkunft geben. Jedoch gibt es außenstehende Mächte, die so tief in den Konflikt verstrickt sind, dass es eine übergreifende Vereinbarung zwischen [diesen] großen Mächten geben muss, bevor ein syrieninterner politischer Prozess stattfinden und das Land sich in Richtung Frieden und Stabilität bewegen kann. Russland und die USA als ständige Mitglieder des Sicherheitsrates und als Verbündete der gegeneinander kämpfenden Gruppen tragen die Verantwortung für die Durchführung dieses Prozesses.
Ich glaube fest daran, dass alle Konflikte gelöst werden können. Jedoch kann dies nicht geschehen ohne politischen Willen und ohne die Reife, weiter zu sehen als nur bis zum Erfolg des Augenblicks.
Es ist leicht, sich darüber einig zu sein, dass der Gebrauch chemischer Waffen verabscheuungswürdig ist. Diese Einigkeit sollte [jedoch] nicht die Tatsache in den Schatten stellen, dass Tod, Zerstörung und Elend auch durch Bombardierungen, Hungersnot und Belagerungen erzielt werden. Vorrangig leiden Zivilisten unter den Kriegshandlungen. Die Beendigung der schwersten humanitären Krise unserer Zeit muss für den Sicherheitsrat oberste Priorität haben.
Ich glaube fest an die UNO und ich weißt, dass wir es besser machen können, um unseretwillen und um Syrien Willen.
• Martti Ahtisaari [* 1937] ist ehemaliger finnischer Staatspräsident [1994 – 2000], Träger des Friedens-Nobelpreises [2008] und UN-Diplomat
INFOBOX
Die Ungereimtheiten um Syrien in den Medien
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschloss am 27. September 2013 einstimmig die Zerstörung des syrischen Chemiewaffenarsenals. Hintergrund dieses Beschlusses war ein Angriff mit dem Nervenkampfstoff Sarin, bei dem am 21. August 2013 in einem Vorort von Damaskus etwa 1400 Menschen getötet worden waren. Erstmals seit Beginn des Aufstands in Syrien im Frühjahr 2011 konnte damit eine gemeinsame Haltung formuliert werden. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon sprach von einer historischen Resolution, den Medien entnommen.
Klartext
Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht! Menschenrechte und Weltfrieden werden von den USA, von Russland und China bestimmt.
Solange die UN keine eigene Exekutivgewalt besitzt, hat sie nur ein BLA-BLA–Recht! Wenn einer von diesen genannten Staaten nicht mitspielt, ist alles für die Katz – so sieht der Weltfrieden aus. Siehe Irak, siehe Ukraine, siehe Afrika, siehe weltweit! Normalerweise könnten wir nun aufhören zu recherchieren, aber Sie sollen sich selbst ein Bild davon machen können.
Nach Artikel 24 der UN-Charta trägt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit.
Seine Beschlüsse sind für alle UN-Mitgliedsstaaten bindend. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat 15 Mitglieder, darunter fünf ständige und zehn nicht ständige. Die ständigen Mitglieder (Großbritannien, Frankreich, Russland, China und USA) gehören dem Gremium dauerhaft an und haben als Siegermächte des Zweiten Weltkriegs (bzw. deren Nachfolger) mit dem sogenannten Vetorecht besondere Kompetenzen: Jeder dieser Staaten kann allein Beschlüsse des Sicherheitsrates verhindern. Laut UN-Charta benötigen Beschlüsse des Sicherheitsrates zu Verfahrensfragen eine Mehrheit von neun Stimmen, wobei sich die ständigen Mitglieder auch enthalten dürfen. Siehe Die Vereinten Nationen (UNO) und die unselige Allianz
Der Friedensnobelpreisträger 2013 OPCW teilte im Oktober 2013 mit, dass nunmehr das gesamte Chemiewaffenarsenal Syriens unter Verschluss sei. Die rund 1000 Tonnen C-Waffen und Kampfstoffe, darunter das hautschädigende Senfgas und das Nervengas Sarin, seien sicher versiegelt. Die Bestände sollten jetzt bis Mitte 2014 vollständig vernichtet werden. Im August 2014 meldete die amerikanische Regierung, rund 600 Tonnen Ausgangsstoffe für Giftgas aus Syrien neutralisiert zu haben. Der entstandene Müll wird nun unter anderem in Niedersachsen unschädlich gemacht.
Frage: Wo sind die restlichen 400 Tonnen der Ausgangsstoffe für Giftgas aus Syrien ?
Zur Erinnerung:
Syrien war das einzige traditionell anti-westliche Land, das von der Welle des „Arabischen Frühlings“ 2011 erfasst wurde. Was als friedliche Protestbewegung begann, ist zu einem komplexen blutigen Konflikt geworden. Keine Seite kann militärisch gewinnen. Die Hoffnungen richteten sich auf die politischen Verhandlungen, die im Januar 2014 in Genf begannen. Erst 3 Jahre nach Beginn des Bürgerkrieges!
Bis zum Beginn der Unruhen Mitte März 2011 glaubten viele Beobachter nicht an eine Revolte in Syrien. In einem Zeitungsinterview Ende Januar 2011 sagte Assad noch, Syrien sei stabil, weil es eine Interessensgleichheit zwischen dem syrischen Volk und der Politik der Regierung gebe.
- Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden innerhalb von nur 5 Monaten seit Beginn der Proteste mehr als 1500 Menschen getötet. Mehr als 3000 Zivilisten sollen verschwunden sein. (Stand 03. August 2011)
- SANKTIONEN: Die Europäische Union hatte bereits am 10. Mai 2011 erste Sanktionen beschlossen. Dazu gehörte ein umfassendes Waffenembargo! (Quelle: das Auswärtige Amt vom 04. August 2011)
- Die Vereinten Nationen geben an, dass von März 2011 bis April 2014 191 396 Menschen getötet wurden. Rund 2,6 Millionen Syrer flohen aus ihrem Land und mehr als 9 Millionen sind innerhalb Syriens auf der Flucht. Die UNO bezeichnete die Flüchtlingskrise als die schlimmste seit dem Völkermord in Ruanda in den 1990er Jahren.
Wie kann die Welt VIER Jahre bei einem Völkermord zuschauen?!Der Spiegel (April 2013): Syrien ist zur neuen Front von al-Qaida geworden. In keinem Land verzeichnen die Radikalislamisten schnelleren Zuwachs. Auch deutsche Dschihadisten kämpfen dort.
Nachweislich ist seit Anfang 2013 bekannt, dass Syrien nach Beginn der Aufstände regelrecht zum Trainingslager für Qaida-Sympathisanten wurde. Hier lernen Terroristen in spe, mit Waffen und Sprengstoff umzugehen – und sie knüpfen neue, gefährliche Kontakte zu internationalen Verbündeten.
Im Juli 2012 agierten nach Schätzungen des US-Außenministeriums von ein paar Dutzend bis zu 100 ausländische Dschihadisten in Syrien. Laut einer im April 2013 veröffentlichten Studie sollen inzwischen bereits 2000 bis 5500 ins Land gekommen sein. Mindestens 500 stammen laut Aussagen des obersten EU-Terrorfahnders aus Europa.
So sollen seit 2012 manche Gruppen inzwischen rund um die Uhr mit Washington in Kontakt stehen. Die Rebellen sollten kontrollieren, ob (und wenn ja, wohin) das Regime Chemiewaffen verlegen lässt. Die USA versuchen zwar, das Giftgas per Satellitentechnik zu überwachen, doch solche Transporte würden sich aus der Luft nicht immer eindeutig erkennen lassen, sagten mehrere Sicherheitsexperten „Syria Deeply“. Mehr Informationen erhalten Sie in unserem Beitrag: ISIS – Wie konnte sich eine solche Terror-Gruppe unbemerkt trotz Geheimdiensten bilden? Die Geister die ich rief?
*World Weather* Destructive flash floods in Damascus, Syria on Apr 26th. Report: Moder Alwazzeh pic.twitter.com/63UnkBbajS
— severe-weather.EU (@severeweatherEU) 27. April 2018
Martti Ahtisaari: I believe in the UN, but it needs to examine its conscience over Syria
Fri 20 Apr 2018 theguardian
I believe in the UN, but it needs to examine its conscience over Syria | Martti Ahtisaari https://t.co/D8ZXktTzb2
— Benedict Rogers (@benedictrogers) 20. April 2018
The security council has focused on political point-scoring rather than on ending the worst humanitarian crisis of our time
The Damascus sky lit up with missile fire: ‘Military action has never produced sustainable peace.’
The ongoing tragedy in Syria has weighed particularly heavily on my mind over the past days. Seven years of war. At least half a million dead. More than 5 million refugees. Whichever way you look at it, the war in Syria has gone on for far too long.
The alarming events of the past week have reminded us of the severe costs of inaction.
Suspicion of the use of chemical weapons in Syria, along with the escalation of fighting on several fronts, needs to be taken seriously. Not only because the international community agrees on the prohibition of chemical weapons, but most of all, because of the extensive suffering the attacks and years of warfare have inflicted on Syrian civilians.
At the same time, tough talk and threats coming from Washington and Moscow have raised the spectre of a global confrontation.
The present situation is especially alarming because it is avoidable. It is the result of a serious lack of political will among major powers to address a crisis they have played a large role in fuelling. It is high time that the international community owned up to its responsibility to help fix this mess.
For better and for worse, the UN reflects the political will of the international community and bears the responsibility to protect peace. In Syria, it has failed in its task.
For external powers, Syria is viewed as an arena to push their own interests, adding to the complexity of the conflict. This focus on geopolitical interests sidelines the humanitarian tragedy caused by the war.
The five permanent members of the UN security council need to take a long, hard look in the mirror. Throughout the war, the security council has failed to act. Veto power has been used in an irresponsible manner to obstruct and obfuscate. Permanent members have focused on scoring political points at home and with their allies, rather than building common ground and demonstrating leadership.
In 2015, Russia dramatically stepped up its involvement in Syria to save its ally. Much of the death and destruction in the country is also a direct result of this. Russia cannot escape its responsibility for the doings of the Syrian regime.
Even if building workable solutions is difficult, it is no excuse to not try. On Friday night, the US chose a forceful response. With the dust now settling, I cannot help thinking what it intends to do to revive peace talks in Syria. Military action has never produced sustainable peace. Therefore, the US and Russia, along with other external powers involved in the conflict, should engage in serious efforts to reach a common agreement on Syria without further delay. Until they do, Syria remains a reminder of the shameful inaction of the international community in the face of another crisis that could have been prevented.
Syria is a tragic mess, and the current crisis reminds us of the critical need for the UN as a forum for dialogue and peace. Accidents do happen, and with stakes as high as they are, the costs can be unimaginable. The US and Russia play an essential role in finding a way out. There is common ground to build on. No one benefits from the prospect of Syria becoming a failed state in the heart of the Middle East.
At its core, the war pits Syrians against Syrians over their shared future. No lasting agreement can be reached without involving a wide range of Syrian voices in any political process to determine their shared future. However, external players are so deeply involved in the conflict that an overarching understanding between major powers is required before an intra-Syrian political process can take place and the country can move towards peace and stability. As permanent members of the security council and as allies of the opposing camps, Russia and the US are responsible for leading this process.
I firmly believe that all conflicts can be resolved. However, without political will and the maturity to see beyond immediate gains, this cannot happen.
It is easy to agree that the use of chemical weapons is abhorrent. This agreement should not override the fact that death, destruction and misery are also delivered through bombings, starvation and sieges. It is civilians who suffer primarily as the war drags on. Ending the worst humanitarian crisis of our time needs to be the first priority for the security council.
I am a firm believer in the UN. That is why I know we can do better, for us and for Syria.
• Martti Ahtisaari is the former president of Finland, a Nobel peace prize laureate and UN diplomat
Photo – Twitter
Netzfrauen Ursula Rissmann-Telle und Doro Schreier
Nach Syrien kommt Gott nur noch zum Weinen
Korruption, Vertuschung, Manipulation und Schönfärberei- Rüstungsgüter als Wachstumsmotor
Bundestag beschließt Mandat für Syrien-Einsatz – Sofortausgaben in Höhe von rund 134 Millionen Euro
IS-FRAUEN UND SITTENWÄCHTERINNEN IN SYRIEN ERZÄHLEN VON KOLLABORATION, ANGST UND FLUCHT
Viele arme Länder mit Rohstoffen versinken im Krieg und genau dorthin werden Rüstungsgüter verkauft!