Dass zu wenig Schlaf krank macht, dürfte bekannt sein. Die Langzeitfolgen bei dauerhaftem Schlafmangel sind nicht zu unterschätzen. Die Folgen: nachlassende Konzentration und verminderte geistige Leistungsfähigkeit, zunehmend gereizt, launisch sein und sogar Trugwahrnehmungen bis hin zu Persönlichkeitsstörungen und Suizidgedanken. Die Liste ist lang, Funktionen wie Atmung, Herzschlag, Blutdruck, Körpertemperatur, Hormone, Stoffwechsel geraten durcheinander. Laut einer neuen Studie macht Schlafmangel sogar dick. Immer mehr Studien belegen: Auf gute Nächte folgen gute Tage.
Warum Schlaf so wichtig ist
Zu wenig Schlaf hat schlimme Folgen und schon nach einer einzigen durchwachten Nacht fühlt man sich schlapp, lustlos und kann sich nur schlecht konzentrieren, ist gereizt und launisch. Schon eine durchwachte Nacht führte in einer randomisierten Studie in Science Advances (2018; 4: eaar8590) dazu, dass der Körper vermehrt Fett speicherte und Muskelproteine abbaute. Auf Dauer könnte Schlafmangel zu Übergewicht, metabolischem Syndrom und Typ 2-Diabetes führen, so die Studie der Universität Uppsala
Eine repräsentative Umfrage der Max-Grundig-Klinik im baden-württembergischen Bühl ergab, dass 41 Prozent der Deutschen Angst vor Schlaflosigkeit haben.
Wenn also immer mehr Menschen Angst vor Schlaflosigkeit haben, dann erfindet man Apps und andere technische Instrumente, die einen erholsamen Schlaf versprechen. Und da eine gesunde Lebensweise für immer mehr Menschen wichtig wird, greifen immer mehr Menschen zur Selbst-Überwachung zu sogenannte Wearables. Wearable Technik 2.0 gibt sogar vor, Körper und Geist zu verändern.
Am 1. Juni 2015 stellte Dan Wetmore das Bluetooth-Gerät von Thync vor. Es sendet elektronische Impulse an die Cranialnerven, um den Träger ruhiger oder energetischer zu stimmen, je nach getroffener Auswahl. Infrarot-Fotos zeigen die Erwärmung unter dem Gerät im Gesicht und Nacken.
Sie sind abends müde, kommen aber nicht zur Ruhe? Kein Problem, Sie klemmen sich das weiße Wunderding einfach hinter die Ohren. Mehr braucht es nicht, um die Stimmung eines Menschen zu verbessern. Mit Thync kann man in den USA ein Wearable kaufen, das die Gemütslage verändern kann. Ein Wearable Computer ist ein Computersystem, das während der Anwendung am Körper des Benutzers befestigt wird. Wir Netzfrauen haben bereits mit unserem Beitrag „Vorsicht: Digitale Drogen auf dem Vormarsch“ für Aufsehen gesorgt. Und was sich bis dato keiner vorstellen konnte, ist Wirklichkeit geworden.
Der „moderne“ Mensch lässt sich freiwillig überwachen.
Dass der Arbeitgeber, aber auch Versicherungen und Krankenkassen sich über Ihre gesammelten Daten freuen, haben wir Ihnen in unserem Beitrag: Das Verarschungsgeschäft mit der Traumfigur! Pfunde purzeln lassen mit Nestlé oder App zum Sammeln von Fitness-Daten für Konzerne! berichtet. „Sage mir, wie gesund du lebst – und ich sage dir, wie viel du sparen kannst, oder ob wir dich noch wollen!“ Ihre Daten zeigen, wie leistungsfähig Sie wirklich sind, ob Sie sich gesund ernähren, viel Sport treiben oder ob Sie unter Schlafproblemen leiden. Überwachungen per App frei Haus. Super, denken die Nutznießer, der „moderne“ Mensch lässt sich freiwillig überwachen.
Wearables sind zu einem beliebten Kaufartikel für den Durchschnittskonsumenten geworden, denn für den „modernen“ Menschen gibt es scheinbar nichts Schöneres, als sich selbst zu überwachen. Ob beim täglichen Sport, oder wie viele Schritte Sie den ganzen Tag gelaufen sind und wie viele Stunden Sie geschlafen haben.
Zu wenig Schlaf macht krank und deshalb gibt es auch kostenlos in jedem App-Store:
Sleep Better – „mit Sleep Better kannst du deinen Schlaf aufzeichnen und dich sanft wecken lassen. Analysiere deinen Schlaf und erfahre, wie gut und lange du gestern, letzte Woche oder durchschnittlich geschlafen hast. Vertraue auf den Smart-Alarm, der dich in einer besonders leichten Schlafphase aufwachen lässt. Schlafe besser mit Runtastic.“
Klingt doch super, kein Wunder, wenn der „moderne“ Mensch glaubt, mit einer App besser schlafen zu können. Rund 60 Millionen sollen bereits „Sleep Better“ nutzen
Ob der „moderne“ Mensch auch noch so begeistert sein wird, wenn dieser wüsste, dass der Fitness-App-Anbieter Runtastic dem Medienkonzern Axel Springer gehörte und für 220 Millionen Euro jetzt von Adidas übernommen wurde? Warum sollten Konzerne 220 Millionen Euro auf den Tisch legen und die App dann kostenlos zur Verfügung stellen? Schlaflose Nächte haben diese Konzerne bestimmt nicht, wetten?
Der Konzern Axel Springer war im Oktober 2013 eingestiegen und bezahlte 22 Millionen Euro für 50,1 Prozent der Runtastic. Der Wert der Beteiligung hat sich für Axel Springer in weniger als zwei Jahren somit verfünffacht, der Unternehmenswert hat sich verzehnfacht. Nach dem Einstieg von Axel Springer 2013 wurde der Gewinn kräftig gesteigert auf 1,26 Millionen Euro.
Unter schlaflosen Nächten leiden auch ganz bestimmt nicht die Erfinder dieser App. Oder vielleicht nur, weil diese jetzt überlegen, was sie als Millionäre jetzt alles unternehmen können.
Spätestens jetzt könnten Sie sich fragen, wie das möglich ist – ganz einfach:
Ein Tochterunternehmen der Axel Springer SE ist COMPUTER BILD! Da lohnt es sich für den Mediengiganten Springer doch, gleich mal einen Beitrag über „Sleep Better“ zu verfassen. Im November 2014 war es dann auch soweit. Passend, denn der November ist ja bekannt für den November-Blues, also Winterdepression. Wer will den schon, und wenn man diese Depression durch eine App abstellen kann, umso besser. Also schreibt Springer-Computerbild am 09. November 2014: Neue App – Sleep Better: Neuer Schlaf-Tracker von Runtastic –
„eine kostenlose App für iOS und Android. Die Anwendung dient der Analyse des Schlafverhaltens und zur Verbesserung der Ruhephase. Laut Herstellerangaben hat man „Sleep Better“ in Zusammenarbeit mit Schlafspezialisten, Ärzten und Testpersonen entwickelt. Ziel ist es, dem Nutzer der App einen Einblick in das Schlafverhalten zu gewähren und durch die statistische Auswertung einzelner Parameter den Schlaf längerfristig zu verbessern.(…)“ laut Computerbild.
Und um noch mehr Geld durch Werbung zu bekommen, ist dann auch gleich eine Werbung eingebaut:
..wenn Sie auf das Wort Schlaf klicken – gelangen Sie in diesem Fall auf „Schlafwelt Gutschein“ – schlafwelt.de auf Erfolgskurs – OTTO Versand freut sich. Und auch Runtastic, denn laut eigenen Angaben nutzen rund 60 Millionen „Sleep Better“, die App zählt mehr als 120 Millionen Downloads. Seit dem Einstieg von Axel Springer wird die App jedoch mit Werbung flankiert, mit lästigen Popups werden die Nutzer genervt und die App somit geradezu zu gepflastert. Sie mögen vielleicht jetzt schneller laufen, aber Ihr Smartphone dürfte es nicht. Denn gerade durch den zugemüllten Speicherplatz wird ein schnelles Smartphone schnell zu einer langsamen Ente und Sie schlafen immer noch nicht besser.
Wer das Smartphone noch kurz vor dem Einschlafen checkt, schläft schlechter
Drei Jahre später meldet sich die Krankenkasse Barmer mit einer neuen Studie „Wer das Smartphone noch kurz vor dem Einschlafen checkt, schläft schlechter.“
Laut Barmer spielt es keine Rolle, ob digitale Medien aus beruflichen Gründen oder als Freizeitbeschäftigung genutzt werden. Gerade beim Tummeln in sozialen Netzwerken kann die Anspannung hoch sein: Aufwühlende Diskussionen, die Sorge, etwas zu verpassen, und das Gefühl, regelmäßig Neuigkeiten posten zu müssen, verhindern das Abschalten im doppelten Wortsinn.
Hinzu kommt, dass viele Menschen ihr Smartphone mit ins Schlafzimmer nehmen.
Dann ist die Versuchung groß, bei nächtlichen Wachphasen und morgens nach dem Aufwachen E-Mails zu lesen oder soziale Netzwerke zu besuchen. Diese Angewohnheiten können gesunden Schlaf stark beeinträchtigen, weil sie die nötigen Ruhephasen hinauszögern oder unterbrechen und gesunde Routinen verhindern. Ein hohes Maß an Bildschirmzeit wirkt sich darüber hinaus negativ auf die Bewegungsmenge aus. Fehlt körperlicher Ausgleich, kann die innere Anspannung insgesamt steigen und gesunden Schlaf stören. Quelle Barmer
- Experten empfehlen, die Bildschirmarbeit mindestens eine Stunde vor dem Zubettgehen zu beenden und digitale Geräte nicht mit ins Schlafzimmer zu nehmen.
- Die technischen Möglichkeiten von Smartphone-Sensoren und Wearables sind nur eingeschränkt dazu geeignet, den eigenen Schlaf zu überwachen.
Werden Sie munter und räumen Ihr Android-Handy auf und entfernen Sie die lästigen Apps, die ihr Smartpohne auch noch verlangsamen. Greifen Sie lieber zu Ihren alten Turnschuhen, die laufen eh meist besser und lassen Sie die Apps da, wo sie hingehören, in den Stores. Denn wer jetzt noch glaubt, durch ein „Sleep Better“ auch noch besser zu schlafen, der hat scheinbar keine anderen Sorgen, oder doch?
Die Grundbedingung für einen guten Schlaf: Zum Schlafen braucht man Ruhe!
Sind es meist nicht sogar gerade sie, die zu Schlaflosigkeit führen? Schauen Sie sich lieber dann zum Beispiel, bewaffnet mit einem Taschentuch „Schlaflos in Seattle“ an. Sie sind dann zwar immer noch müde, aber ärgern sich nicht, dass Sie sich im Bett hin und her wälzen. Sie kennen sicher auch das Gefühl, man schaut auf die Uhr und es ist, als wäre die Zeit stehen geblieben. So haben Sie sich einen Film angeschaut, vielleicht schlafen Sie sogar vor dem Fernseher ein, während Meg Ryan auf der Suche nach Tom Hanks ist.
Bedenken Sie: Die Digitalisierung hat Einfluss auf den Schlaf der Menschen. Zum einen kann sich der Konsum von digitalen Medien immer mehr auf die Schlafdauer und die Schlafqualität auswirken. Zum anderen wird versucht, Schlafstörungen mit digitalen Helfern zu überwinden. Experten empfehlen, die Bildschirmarbeit mindestens eine Stunde vor dem Zubettgehen zu beenden!
Laut Experten geht der Trend in unserer Gesellschaft in Richtung von zu wenig Schlaf, da viele meinen, sich Schlaf nicht mehr leisten zu können oder zu wollen, mit schwerwiegenden Folgen für die Gesundheit und das Alltagsleben.
„Besonders aber gebe man dem Gehirn das zu seiner Reflexion nötige, volle Maß des Schlafes; denn der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr.“ Arthur Schopenhauer
Netzfrau Doro Scheier
Ein gefährliches Netzwerk – Das Pharmasyndikat