R.I.P. Werner Schneyder- * 25. Jänner 1937 in Graz + 2. März 2019 in Wien – Ein weiterer vielseitiger „Ritter des Wortes“ hat die Welt verlassen. Sich selbst bezeichnete Schneyder als „Universaldilettant“, wobei das Gewicht sicherlich auf „Universal“ liegen sollte, da er vielseitig gebildet und entsprechend tätig war. „Dilettant“ war er sicher eher in des Wortes ursprünglicher Bedeutung: Er hatte allzeit Spaß und Freude an seinen Wortgefechten (italienisch „dilettarsi = sich erfreuen), die jedoch keineswegs „dilettantisch“ in der heutigen abwertenden Bedeutung waren – im Gegenteil: Sie waren höchst professionell und scharfzüngig.
Seine Vielseitigkeit drückt sich vielseitig aus: Nicht nur studierte er Publizistik und Kunstgeschichte und promovierte, er lernte auch die Arbeit eines Journalisten von ganz unten: Da die Zeitung, bei der er sich beworben hatte, nicht so recht wusste, was sie mit ihm anstellen sollte, ließ sie ihn als Sportkommentator arbeiten. Die Redaktion merkte bald, was in ihm steckte, und ließ ihn auch kulturelle Veranstaltungen kommentieren. Die Lust am Wort und an der Arbeit damit, verbunden mit seiner Neugier, seinem kritischen Verstand und seinem Wissenshunger, ließen ihn zu dem Universalisten unter den Autoren werden, der er in seinen reifen Jahren war.
Vielseitig waren seine Tätigkeitbereiche: Schriftsteller, Lyriker, Übersetzer, Journalist, Sportkommentator, Boxkampfrichter, Kabarettist, Rezitator, Regisseur, Schauspieler. Sicherlich hätte er auch das Zeug zu einem Opern- oder Konzertsänger gehabt, wie man an manchen Gesangseinlagen der Münchner Lach- und Schießgesellschaft oder gar der „Zugabe Leipzig“ erkennen kann.
Einem breiteren Publikum wurde er bekannt durch die zuletzt erwähnte „Zugabe Leipzig“, die man zu Recht als absolutes Highlight bezeichnen kann: 1985 traten Werner Schneyder und Dieter Hildebrandt mit einem Kabarettprogramm auf – und das noch zu DDR-Zeiten, in denen jeder Wortinhalt, jede Pointe zuvor eingereicht und genehmigt werden musste. Diesen Auftritt im Keller der „Akademixer“ zu sehen und zu hören, ist immer noch ein Hochgenuss, weil wir die Kunst erleben können, mit der die beiden Kabarettisten die Zensur mit Wortwitz und Wortgewalt umgingen. Für beide war dieser Abend im Januar 1985 ein Dreh- und Angelpunkt. Dieter Hildebrandt, der nach dem nicht enden wollenden Applaus feuchte Augen bekam, sagte zu Werner Schneyder: „Wegen dieses Abends allein hat sich mein Beruf gelohnt“. Werner Schneyder bezeichnete diesen besonderen Auftritt als den „Höhepunkt meiner Karriere“.
Auch das noch: Für sich selbst und Kollegen schrieb er Chansons und übersetzte Songtexte aus Musicals. Besondere Beachtung verdienen seine Nachdichtungen einiger Chansons des belgischen Chansonniers Jacques Brel wie „Amsterdam“ oder „Das allerletzte Glas“. Auch auf diesem Gebiet reiht er sich ein in die literarische Tradition von keinen Geringeren als Kurt Tucholsky und Erich Kästner.
Werner Schneyder begleitete seine erste Frau, mit der er mehr als 40 Jahre verheiratet war, in ihren letzten, von schwerer Krankheit geprägten Jahren bis zu ihrem Tod. Nach ihrem Tod veröffentlichte er eine Erzählung darüber.
Danke, Werner Schneyder, für das Füllhorn an Ideen, Worten und Werken, das Sie uns hinterlassen haben.
Und – last but not least:
„Manchmal gehen mir meine Meinungen auf die Nerven – aber ich habe keine anderen …“
Netzfrau Ursula Rissmann-Telle
Leonard Bernstein – 25. August 1918 – 14. Oktober 1990 – eine persönliche Hommage
R. I. P. Roger Cicero – „In diesem Moment“ erlischt ein Stern
Ein Intellektueller tritt ab – R. I. P. Roger Willemsen
A BETTER FUTURE David Bowie und Is This The World We Created…? Freddie Mercury