Nach der Ermordung des Journalisten Khashoggi wurde es wieder ruhig um Saudi Arabien, doch die Gräueltaten gehen weiter. Die Festnahmen und dokumentierten Misshandlungen zeigen, wie Kronprinz Mohammed bin Salman, der laut US-Geheimdiensten und einer unabhängigen Untersuchung durch einen UN-Berichterstatter für den Mord an Jamal Khashoggi im Jahr 2018 verantwortlich ist, sein brutales Vorgehen gegen Dissidenten fortsetzt. Saudi-Arabien gilt als einer der autoritärsten Staaten der Welt. Dementsprechend ist die Menschenrechtslage dort äußerst schlecht. Saudi-Arabien gehört seit langem zu den Ländern mit den meisten Hinrichtungen weltweit, darunter auch junge Regimekritiker. Sie waren nicht einmal 18, als sie verhaftet wurden. Nach dem Dokumentarfilm Saudi Arabia Uncovered, der die Brutalität einer Welt zeigt, in der Frauen auf der Straße geköpft werden, scheint sich die Lage in Saudi Arabien auch unter Kronprinz Mohammed bin Salman nicht geändert zu haben, der sich gern als neuer weltoffener Reformer zeigt. Auch aktuelle Recherchen zeigen, dass Menschenrechtsverteidiger, Schriftstellerinnen, Journalistinnen, Reformbefürworter, Aktivistinnen und Angehörige der schiitischen Minderheit in unfairen Verfahren zu langen Haftstrafen oder gar zum Tod verurteilt werden. Auch für Frauen scheint sich die Situation in Saudi Arabien wieder zu verschlechtern, denn eine saudische Frau wurde verhaftet, nachdem sie verheiratete Frauen ermutigt haben soll, ihren Ehemann zu verlassen, wenn sie ihren Wünschen nicht nachkommen. Ein Friseur landete im Gefängnis, nachdem er einer saudischen Frau die Harre geschnitten hatte. Kritische Journalisten wurden nicht nur gefoltert, sondern man hat sie einfach verhungern lassen und trotzdem übernimmt Saudi-Arabien die G20-Präsidentschaft.
Saudi Arabien: die Gräueltaten gehen weiter
War Ihnen bekannt, dass Saudi-Arabien auf der veröffentlichten sogenannten „Liste der Schande 2015“ stand? Die Liste zeigt die Namen von Ländern, Terrorgruppen und Armeen, die Kinder rekrutieren und töten. Wenige Stunden danach aber war Saudi-Arabien plötzlich von der Liste der Schande verschwunden. Saudi-Arabien hatte Druck gemacht. Schriftlich und mündlich bei dem damaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon protestiert. Nach dem Motto: Wir wollen nicht auf einer Liste erscheinen, auf der auch Terrorgruppen wie der „Islamische Staat“ oder Al Kaida stehen.
Als ausgerechnet Faisal Bin Hassan Trad aus Saudi-Arabien der neue „Experte“ der Vereinten Nationen für Menschenrechte wurde, gerieten die Vereinten Nationen erneut unter Beschuss. Sie übertrugen eine wichtige Menschenrechtsrolle an Saudi Arabien, obwohl das Königreich in Bezug auf die Freiheiten von Frauen, Minderheiten und Dissidenten „die schlechteste Bilanz der Welt“ vorweisen kann. Daran sieht man auch, dass selbst die UN die Sache mit den Menschenrechten nicht ernst nimmt, denn das zeigt die Ernennung von Faisal Bin Hassan Trad aus Saudi-Arabien. Besonders bizarr, da die Todesstrafe dem Artikel 3 der UN-Generalversammlungs-Resolution von 1948 widerspricht. In der Resolution heißt es: „Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.“
Doch es reichte noch nicht, denn obwohl Frauen wie die prominente Frauenrechtsaktivistin Ludschain Hathlul in einem saudischen Gefängnis gefoltert werden, wurde Saudi Arabien in die UN-Kommission für Frauenrechte gewählt. Saudi-Arabiens Wahl in die UN- Kommission für Frauenrechte, die von 47 Staaten, darunter mindestens drei europäischen Ländern, unterstützt wurde, ist ein Affront gegen die Mission der Kommission selbst und eine Zurechtweisung für saudische Frauen. Der belgische Ministerpräsident sagte später, er bedauere die Wahl seines Landes, doch damit war den Frauen auch nicht geholfen.
Seit dem 23. Januar 2015 ist der 84-jährige Salman ibn Abd al-Aziz absolutistischer König und Premierminister Saudi-Arabiens. Er öffnete die Börse für ausländische Investoren und suchte 8 Henker.
Dazu auch „Saudi Arabia Uncovered”
Bereits 2015 berichtete Human Rights, dass Saudi-Arabien eine Reihe neuer Gesetze eingeführt hat, die u. A. Atheisten als Terroristen definieren. Infolge königlicher Dekrete und einer umfassenden neuen Gesetzgebung für Terrorismus allgemein griff der mittlerweile verstorbene Saudische König Abdullah hart durch und zwar gegenüber allen Formen von politischen Meinungsverschiedenheiten und Protesten, die „die öffentliche Ordnung“ verletzen könnten.
Seit dem 23. Januar 2015 ist der 81-jährige Salman ibn Abd al-Aziz absolutistischer König und Premierminister Saudi-Arabiens. Kurz danach: öffnete er die Börse für ausländische Investoren und suchte 8 Henker.
Laut Wikipedia: „Während der 1980er und 1990er-Jahre erwies sich die Allianz zwischen der wohlhabenden Monarchie Saudi-Arabiens und den mächtigen Geistlichen des Landes als wichtigster Geldgeber des internationalen Terrorismus, die Millionen von Dollar zu Kämpfern in Afghanistan, Bosnien und anderswo leitete. Unter den großen Förderern des Projekts war der damalige Prinz Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud.“
Anfang Januar 2016 ließ Salman 47 angebliche Terroristen hinrichten, darunter den oppositionellen schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr, den Onkel von Ali Mohammed al-Nimr. Ali al-Nimr war erst 17 Jahre alt, als er in Saudi-Arabien wegen Protesten zum Tode durch Enthauptung verurteilt wurde. Die Folge waren weltweite Kritik und enorme Spannungen zwischen Saudi-Arabien und Iran. Beide Golfstaaten kämpfen um die regionale Vorherrschaft und führen Stellvertreterkriege im Jemen, in Syrien und im Irak. Salman brach sämtliche Beziehungen, inklusive Flugverbindungen, zum Iran ab. Mittlerweile gibt es auch Stellvertreterkriege zwischen Iran und Saudi Arabien in Somalia und im Südsudan.
Auch der neue Thronfolger steht fest, es ist Mohammed bin Salman. Der 34-Jährige wurde im Juni 2017 von seinem Vater, König Salman ibn Abd al-Aziz, zum Kronprinzen ernannt. Mohammed bin Salman al-Saud ist Kronprinz, Verteidigungsminister und stellvertretender Premierminister Saudi-Arabiens. Während seiner Amtszeit als Verteidigungsminister führten die Streitkräfte Saudi Arabiens die Militärintervention im Jemen seit 2015 durch.
Mohammed bin Salmans Aufstieg wurde im Weißen Haus mit Sympathie begleitet – und vielleicht will der Kronprinz nicht so lange warten, bis sein amerikanischer Mentor irreparabel beschädigt ist, hieß es bei seiner Ernennung zum Kronprinzen. MbS besuchte Trump bereits im März 2017 im Oval Office, wurde dort wie ein Staatsoberhaupt behandelt und fädelte Trumps Bling-Bling-Besuch in Saudi-Arabien im Mai 2017 ein. Siehe auch: Blackstone und BlackRock – Stephen A. Schwarzman und Larry Fink – eine „mächtige“Männerfreundschaft besonderer Art und die Arabische Liga
Zudem geht Mohammed bin Salman hart gegen den Iran vor, aber auch gegen Reformer im eigenen Land. Mit ihm gilt das saudische Königreich als zunehmend unberechenbar. Was auch die Situation belegt, die sich in Saudi Arabiens Provinz al-Qatif abspielte: Qatif gilt zusammen mit al-Hasa als Siedlungsschwerpunkt der saudischen Imamiten und spielte in Zusammenhang mit den Protesten in Saudi-Arabien ab 2011 eine zentrale Rolle. Der Bürgerrechtler Nimr al-Nimr wurde wegen Anstiftung zum Aufruhr in Qatif zum Tode verurteilt und im Januar 2016 hingerichtet. Ali Al-Nimr, sein Neffe, soll enthauptet werden, dann soll sein kopfloser Körper aufgehängt und öffentlich ausgestellt werden. Der neuste grausame Akt der IS-Dschihadisten? Nein: Es ist ein Urteil des Obersten Gerichtshofes in Saudi Arabien und doch wird dieser Staat mit Waffen nur so überschüttet.
Sunniten und Schiiten bekämpfen sich nicht nur in Syrien, im Irak und im Jemen bis aufs Blut. Im Kleinen tobt dieser Krieg auch in Saudi Arabiens Osten. Wegen der Zensur gibt es kaum unabhängige Berichte und Bilder, so ein Bericht der Neuen Züricher Zeitung vom 13. 7. 2017
Gepanzerte Fahrzeuge in den Straßen, zerschossene Häuser und Gewehrsalven in der Luft – solche Szenen sind wir aus Syrien gewohnt. Doch Ähnliches spielt sich derzeit auch in der schiitischen Stadt al-Awamiya im Osten Saudi Arabiens ab, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen: Die Aufständischen sind Schiiten, das Regime ist sunnitisch.
Saudi Arabien übernimmt die G20-Präsidentschaft
Saudi Arabien übernahm stillschweigend die G20-Präsidentschaft, mit mindestens 32 im Land inhaftierten Journalisten und anhaltender Straflosigkeit für den Mord an Jamal Khashoggi. Saudi-Arabien hatte bei einem Treffen der G20-Außenminister, das im November 2019 stattfand, die Präsidentschaft der G20-Gruppe für das Jahr 2020 übernommen. Die saudische Delegation wurde von Außenminister Faisal bin Farhan bin Abdullah geleitet.
Die saudischen Behörden täuschen kaum ein ordnungsgemäßes Verfahren vor, auch nicht, wenn sie Journalisten inhaftieren. In 18 Fällen wurden keine Anklagen erhoben und diejenigen, die vor Gericht gestellt wurden, wurden in geheimer und oft hastiger Weise verurteilt. Es gibt weit verbreitete Berichte über Folter; Im Frühjahr gingen dem Guardian medizinische Berichte mit detaillierten Beweisen dafür ein, dass Behörden politische Gefangene, darunter vier Journalisten, geschlagen, verbrannt und an Hunger hatten sterben lassen. Die Festnahmen und dokumentierten Misshandlungen zeigen, wie Kronprinz Mohammed bin Salman, der laut US-Geheimdiensten und einer unabhängigen Untersuchung durch einen UN-Berichterstatter für den Mord an Jamal Khashoggi, Kolumnist der Washington Post, im Jahr 2018 verantwortlich ist, sein brutales Vorgehen gegen Dissidenten fortsetzt.
Ein neuer Bericht von Amnesty International deckt auf, wie ein Sonderstrafgericht in Saudi-Arabien systematisch kritische Stimmen zum Schweigen bringt.
Menschenrechtsverteidiger, Schriftstellerinnen, Journalistinnen, Reformbefürworter, Aktivistinnen und Angehörige der schiitischen Minderheit werden in unfairen Verfahren zu langen Haftstrafen oder gar zum Tod verurteilt. Grundlage sind oft vage Terrorismus- oder Cyberkriminalitätsvorwürfe.
Unfaire Gerichtsverfahren zur Unterdrückung friedlicher Stimmen
Amnesty International hat in ihrem neuen Bericht «Muzzling critical voices: Politicized trials before Saudi Arabia’s Specialized Criminal Court» acht SCC-Verfahren gegen insgesamt 95 Personen untersucht: 27 Personen, die auf Grund ihrer friedlichen Menschenrechtsarbeit und der Wahrnehmung ihres Rechts auf Meinungsfreiheit strafverfolgt wurden, sowie 68 schiitische Angeklagte, von denen die meisten wegen ihrer Beteiligung an regierungskritischen Demonstrationen vor Gericht standen. In allen Fällen kam Amnesty International zum Schluss, dass die Prozesse nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprachen.
Mindestens 20 Schiiten sind vor dem SCC auf der Basis solcher «Geständnisse» zum Tode verurteilt worden, und 17 dieser Todesurteile wurden bereits vollstreckt. Auch unabhängige Stimmen in Saudi-Arabien wie z. B. MenschenrechtlerInnen, SchriftstellerInnen oder Geistliche verbüßen lange Haftstrafen, zu denen sie vom SCC oder anderen Gerichten verurteilt wurden. So sind beispielsweise alle elf Gründungsmitglieder der saudi-arabischen Organisation für bürgerliche und politische Rechte (ACPRA) wegen ihrer Menschenrechtsarbeit vor Gericht gestellt und verurteilt worden.
Dringender Reformbedarf
Amnesty International fordert die umgehende und bedingungslose Freilassung aller gewaltlosen politischen Gefangenen sowie eine grundlegende Reform des SCC, damit sichergestellt wird, dass die Verfahren fair sind und die Angeklagten vor willkürlicher Inhaftierung sowie vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt werden. Darüber hinaus müssen alle von Inhaftierten erhobenen Folter- und Misshandlungsvorwürfe unabhängig untersucht werden. Menschen, die Opfer von Folter oder anderen Menschenrechtsverletzungen wurden, müssen vollumfänglich entschädigt werden.
We’ve documented GROSS human rights violations by #SaudiArabia’s Specialized Criminal Court.
Its trials are a mockery of justice.
Take action NOW & tell @KingSalman to free ALL prisoners of conscience unfairly tried and detained. #StandwithSaudiHeroes https://t.co/PdpX6cHVGa pic.twitter.com/lmAZhEhL37— Amnesty Gulf (@amnestygulf) February 8, 2020
«Wenn der König und der Kronprinz zeigen wollen, dass es ihnen mit den Reformen wirklich ernst ist, dann sollten sie als ersten Schritt alle gewaltlosen politischen Gefangenen umgehend und bedingungslos freilassen und dafür sorgen, dass ihre Schuldsprüche und Strafen aufgehoben werden. Außerdem sollten sie ein offizielles Hinrichtungsmoratorium verhängen mit dem Ziel, die Todesstrafe ganz abzuschaffen», fordert Heba Morayef. Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International
Saudische Frau verhaftet, weil sie „illegale“ Inhalte auf Snapchat veröffentlicht hat
Zu den Verstößen, warum eine Frau in Saudi Arabien verhaftet wurde, zählen Dinge, die auf der ganzen Welt als völlig normal gelten, aber nicht im konservativen Königreich. Dort gelten diese als Verstöße, insbesondere im Hinblick auf Frauen.
Anfang Februar 2020 verhaftete die Polizei in Saudi Arabien Ha’il, eine Frau, wegen „illegaler“ Inhalte über ihr öffentliches Snapchat-Konto. Das berichtet die Webseite von Sabq. Ihre Inhaftierung erfolgte, nachdem mehrere ihrer Anhänger sie den örtlichen Behörden gemeldet hatten und behaupteten, ihre Posts seien „unangemessen“. Sie wird beschuldigt, jungen Mädchen „unmoralische“ Freiheitsideale beigebracht und verheiratete Frauen dazu ermutigt zu haben, ihre Ehemänner zu verlassen, wenn sie ihren Wünschen nicht nachkämen. Die Frau, angeblich 29 Jahre alt und geschiedene Mutter von zwei Kindern, soll in den letzten Monaten auf der Social-Media-Plattform, insbesondere in ihrer Stadt, eine beachtliche Popularität erlangt haben. Diejenigen, die sie kritisieren, behaupten, dass ihre Videos und Posts „Ausschweifungen“ hervorrufen und gegen die Gesetze des Königreichs zum öffentlichen Anstand verstoßen. Nach Angaben der örtlichen Behörden umfasste der Inhalt der Frau mehrere Verstöße, darunter auch da Postings von Partys, bei denen Frauen beim Tanzen und Rauchen von Shishas und Zigaretten gesehen wurden.
Wenn die Frau für schuldig befunden wird, könnten ihre Straftaten gemäß Artikel 6 des Gesetzes über Cyberkriminalität des Landes bestraft werden, was bedeutet würde, dass sie mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen muss.
Hunderte von Frauen haben in den letzten Jahren versucht, Saudi-Arabien zu entkommen. Sie sind vor den strengen Gesetzen zur Vormundschaft der Männer geflohen, die jeden Aspekt ihres Lebens kontrollieren. Four Corners folgt den Geschichten einiger Frauen, die sich verzweifelt nach Freiheit sehnen.
Frauenrechtlerinnen werden im Gefängnis gefoltert, Journalisten und Kritiker ermordet und trotzdem übernimmt Saudi Arabien die G20-Präsidentschaft – was sind Menschenrechte überhaupt noch wert?
Netzfrau Doro Schreier
4 Kommentare » Schreibe einen Kommentar