Zum heutigen RomaDay machen wir darauf aufmerksam, dass die Romas immer noch stigmatisiert und diskriminiert werden. Jedes Jahr am 8. April feiern Roma auf der ganzen Welt den Internationalen Roma-Tag.1971 kämpften die Aktivist*innen für die Anerkennung des Genozids an den Sinti* und Roma* Europas. Die „Roma“ in Ungarn, die „Traveller“ in Irland, die „Sinti“ in Deutschland, die „Ashkali“ im Kosovo, die „Calé“ in Spanien und viele andere romanischsprachige Gruppen feiern ihre gemeinsame Kultur, Geschichte und Sprache und betonen ihre Vielfalt und Einheit. Gleichzeitig ist dieser Tag wichtig, um das Bewusstsein für die vielen Schwierigkeiten und Ungerechtigkeiten zu schärfen, mit denen Europas größte ethnische Minderheit von etwa 12 Millionen Menschen immer noch konfrontiert ist: extreme Armut, soziale Segregation und nicht zuletzt der weit verbreitete Rassismus gegen Roma, der sogenannte Antiziganismus, der ihre wirtschaftliche und soziale Benachteiligung noch verschärft.
50 Jahre später, wie steht es um die Rechte der Roma?
Der Internationale Roma-Tag am Donnerstag ist etwas Besonderes: Vor 50 Jahren, am 8. April 1971, trafen sich erstmals Vertreter von Roma-Gemeinschaften aus zahlreichen europäischen Ländern in London und gründeten die politische Selbstorganisation der Roma und legten eine Flagge und Hymne fest.
Dieser Tag war ein Meilenstein im Kampf gegen die Zigeunerfeindlichkeit und für unsere Forderung nach Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Von da an haben Roma-Aktivisten in ganz Europa unserem Volk eine Stimme gegeben, Veränderungen an der Basis initiiert und unsere politischen Forderungen in die regionalen, nationalen und europäischen politischen Arenen gebracht.
Seitdem hat sich eine ganz neue Generation von Aktivisten und Führungspersönlichkeiten entwickelt. Unsere Roma-Gemeinschaft hat Jugendorganisationen, Studentengewerkschaften, Frauenrechts- und LGBTQI-Organisationen hervorgebracht. Sie sind wichtig, um die Vielfalt unseres Volkes zu repräsentieren und unserer gemeinsamen Forderung nach Partizipation, Inklusion und Förderung Gewicht zu verleihen.
Die offizielle Anerkennung des Holocausts an bis zu 500.000 Roma durch Nazi-Deutschland im Jahr 1982 war ein wichtiger Schritt für unsere Überlebenden und Nachkommen, um Frieden zu finden und ihre Würde wiederzuerlangen.
Der Aufbau von Roma-Selbstorganisationen und die Gründung von europäischen Netzwerken gab uns eine stärkere Stimme gegenüber Regierungen und internationalen Organisationen.
Rückgriff auf das Recht
Durch den Rückgriff auf Rechtsstreitigkeiten verteidigen nationale und europäische Gerichte die Rechte von Roma-Bürgern auf Einbeziehung in das Schulsystem, wie es in der Tschechischen Republik und Ungarn der Fall war.
Schließlich erkannten der Europarat und die Europäische Union den Antiziganismus als eine besonders weit verbreitete Form des Rassismus in Europa an, die zu massiven Menschenrechtsverletzungen führt und dringende Maßnahmen der europäischen Regierungen erfordert. Dies sind viele wichtige Erfolge der unermüdlichen Arbeit unserer Aktivisten.
Doch die unbequeme Wahrheit bleibt: Strukturelle Diskriminierung gehört für die Angehörigen der größten Minderheit Europas immer noch zum Alltag – bei der Wohnungssuche, bei der Suche nach Arbeit, bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen oder beim Eintritt in die Institutionen des Bildungssystems.
Zudem ist die Mehrheit der 12 Millionen europäischen Roma immer noch von extremer Armut betroffen. Der weit verbreitete Rassismus gegen Roma, der sogenannte Antiziganismus, verschlimmert ihre wirtschaftliche und soziale Benachteiligung.
Politische Führer können immer noch Hass gegen Roma-Gemeinschaften säen, um in Wahlkampagnen die Unterstützung der Bevölkerung zu gewinnen. Schlägereien, Zwangssterilisationen, Polizeigewalt und Brandanschläge von Rechtsextremisten gegen Roma-Gemeinschaften sind in Europa immer noch eine Realität. Die Corona-Pandemie hat diese Situation nur noch verschlimmert.
In diesem Jahr haben die EU-Mitgliedsstaaten und die Erweiterungsländer die Möglichkeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen und strukturelle Maßnahmen im Kampf gegen Antiziganismus und für die Integration von Roma zu ergreifen.
Unter dem noch neuen strategischen EU-Roma-Rahmen für Gleichstellung, Inklusion und Partizipation, der im Oktober 2020 offiziell verabschiedet wurde, sind die Regierungen verpflichtet, in diesem Jahr ihre landesweiten Strategien zur Umsetzung vorzulegen.
Um Antiziganismus effektiv zu bekämpfen, ist eine solide strukturelle Finanzierung der demokratischen Zivilgesellschaft und von Projekten gegen Antiziganismus unerlässlich.
Die Einrichtung einer Beobachtungs- und Informationsstelle zur Erfassung zigeunerfeindlicher Hetze und Gewalt kann Betroffene bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützen. Zu oft bleiben antiziganistische Übergriffe noch im Verborgenen.
Um die Eingliederung der Roma effektiv zu fördern, müssen Regierungen und regionale Verwaltungen von einem paternalistischen Ansatz abrücken und eine dauerhafte Beteiligung von Selbstorganisationen an der Entwicklung und Umsetzung von Programmen für Wohnraum, Gesundheitsversorgung, Bildung und Beschäftigung realisieren.
Das neue Rahmenwerk der EU ist in vielen Aspekten gut gemeint und stellt einen ganzheitlichen Ansatz dar, aber ein zentrales Manko bleibt der immer noch freiwillige Charakter der empfohlenen Maßnahmen.
Es ist nicht akzeptabel, dass der Kampf gegen strukturelle Menschenrechtsverletzungen und Maßnahmen, die Millionen von EU-Bürgern aus unmenschlichen Lebensbedingungen befreien sollen, ein freiwilliger Akt ist.
Die Beweise für den dringenden Handlungsbedarf zur Verbesserung des Lebens der Roma in Europa sind erdrückend und von der EU-Grundrechteagentur, Amnesty International, Open Society Foundation usw. gut dokumentiert.
Die Regierungen haben die Verantwortung, ihre Bürger zu schützen – dazu gehören auch Bürger der Roma-Ethnie. Unser nächster großer Kampf ist es, einen rechtlich verbindlichen Rahmen für Maßnahmen gegen diese unerträgliche Situation zu erreichen, so der Bericht auf euobserver.com, den wir für Sie übersetzt haben.
After 50 years, where do Roma rights stand now?
By ROMEO FRANZ euobserver.com
Every year on 8 April, Romani people worldwide celebrate International Roma Day.
‚Roma‘ in Hungary, ‚Traveller‘ in Ireland, ‚Sinti‘ in Germany, ‚Ashkali‘ in Kosovo, ‚Calé‘ in Spain and plenty of other Romani-speaking groups celebrate their shared culture, history and language emphasising its diversity and unity.
At the same time, this day is important to raise awareness for the many difficulties and injustices that Europe’s largest ethnic minority of about 12 million people still faces: extreme poverty, social segregation and last but not least the widespread racism against Romani people, so-called anti-gypsyism, that exacerbates their economic and social disadvantage.
Thursday’s International Roma Day is special: 50 years ago, on 8 April, 1971, representatives of Romani communities from numerous European countries met for the first time in London and founded the political self-organisation of Romani people and designated a flag and anthem.
This day marked a milestone in the fight against anti-gypsyism and our claim for justice and equal rights. Thenceforward, Romani activists all over Europe have given our people a voice, initiated grassroots change and brought our political claims into the regional, national and European political arenas.
Since then, a whole new generation of activists and leaders has developed. Our Romani community has brought forth youth organisations, student unions, women rights and LGBTQI-organisations. They are important to represent the diversity of our people and give weight to our common call for participation, inclusion and promotion.
The official recognition of the Holocaust up to 500,000 Romani people by Nazi-Germany in 1982 was an important step for our survivors and descendant to find peace and regain their dignity.
The building Romani self-organisations and establishment of European networks gave us a stronger voice vis-à-vis governments and international organisations.
Resort to law
By resorting to litigation, national and European courts are defending the rights of Romani citizens for inclusion in the school system, like was the case in the Czech Republic and Hungary.
Eventually, the Council of Europe and the European Union recognised anti-gypsyism as a particularly widespread form of racism in Europe that leads to massive human rights violations and requires urgent action by European governments. These are many important successes of the untiring work of our activists.
But the inconvenient truth persists: structural discrimination is still part of everyday life for the members of Europe’s largest minority – when looking for accommodation, searching for work, being in need for health care or entering the institutions of the education system.
Furthermore, the majority of the 12 million European Romani people still faces extreme poverty.
The widespread racism against Romani people, so-called anti-gypsyism, exacerbates their economic and social disadvantage.
Political leaders can still sow hate against Romani communities to reap popular support in electoral campaigns. Beatings, forced sterilisation, police violence and fire bombings by right-wing extremists against Romani communities are still a reality in Europe. The Corona pandemic only worsened this situation.
This year the EU member states and enlargement countries have the opportunity to open a new chapter and take structural measures in the fight against anti-gypsyism and for the inclusion of Romani people.
Under the still new EU Roma strategic framework for equality, inclusion and participation, officially adopted in October 2020, the governments are obliged to present this year their nationwide strategies for implementation.
In order to combat anti-gypsyism effectively, solid structural financing for democratic civil society and projects against anti-gypsyism are essential.
The establishment of a monitoring and information centres to record anti-gypsy agitation and violence can support those affected in exercising their rights. Too often, anti-gypsyist attacks are still under the radar.
To promote Romani inclusion effectively, governments and regional administrations need to move away from paternalistic approach and realise a permanent participation of self-organisations in the development and implementation of programmes for housing, healthcare, education and employment.
The EU’s new framework is in many aspects well-meant and presents a holistic approach, but a central shortcoming remains the still voluntary character of the recommended measures.
It is not acceptable that the fight against structural human rights violations and measures to get millions of EU citizens out of inhumane living conditions is a voluntary act.
The evidence for the urgent need for action to improve the life of Romani people in Europe is oppressive and well documented by the EU Fundamental Rights Agency, Amnesty International, Open Society Foundation and so on.
Governments have a responsibility to protect their citizens – this includes citizens of Romani ethnicity. Our next big fight is to achieve a legally binding framework for action against this unbearable situation.
Netzfrau Lisa Natterer
Netzfrauen auch auf >>> Instagram >>>>mit vielen Bildern und Informationen!
Das „chronisch kranke“ Gesundheitssystem – Sklaverei im Pflegebereich