Dass der 8. März weltweit ein Tag der Solidarität im Kampf um gleiche und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen ist, ist allgemein bekannt. Tatsächlich hat der Internationale Frauentag schon eine hundertjährige Tradition. Oder auch eine schon über hundertfünfzigjährige, denn erste Impulse in Richtung internationaler Frauenkampftag gingen bereits 1858 von Demonstrationen der New Yorker Textilarbeiterinnen aus. Die Worte Brot und Rosen wurden zum Motto der amerikanischen und internationalen Frauenbewegung. Haben wir wirklich etwas erreicht?
Internationaler Frauentag
Im Allgemeinen aber gilt als tatsächlicher Ausgangspunkt ein Streik von Tabak- und Textilarbeiterinnen im Jahre 1908 in Manhattan. Bei diesem Streik schlossen Aufseher und Unternehmer die Arbeiterinnen in der Fabrik ein; So sollte verhindert werden, dass die Streikenden Kontakt zur Gewerkschaft aufnahmen und ihre Kämpfe auf andere Fabriken übergriffen. Ein Brand brach aus. Nur wenigen Frauen gelang die Flucht über die Absperrungen. 129 Frauen verbrannten.
Ein Jahr später, im Jahr 1909, streikten erneut 20 000 Hemdblusen-Näherinnen in Manhattan und Philadelphia. Tausende wurden verhaftet, doch die Unternehmer mussten ihren Forderungen nach zweimonatigem entschlossenem Streik nachgeben. Dieser erfolgreiche Frauenkampf war zugleich eine entschlossene Entkräftung des von vielen Männern gehegten Vorurteils, wonach Frauen entweder nicht fähig seien, sich gewerkschaftlich zu organisieren oder man nicht auf sie zählen könne, wenn es darum ginge, einen langen und erbitterten Kampf durchzustehen.
Leidenschaftliche Kampfansagen …
Schon 1908 hatten Frauen auf dem Parteitag der sozialistischen Partei der USA ein nationales Frauenkomitee gegründet. Dieses Komitee setzte sich öffentlich für die staatsbürgerlichen Rechte aller amerikanischen Frauen ein. Ein Frauentag sollte dieser Forderung Nachdruck verleihen. So wurde am 20. 02. 1909 zur Unterstützung der Wahlrechtsforderungen in den USA der erste nationale Frauentag begangen. Am 3. Frauentag, dem 26. 02. 1911, fanden bereits in allen größeren Städten und auch in vielen kleinen Orten der USA große Demonstrationen statt – und die sozialistische Parteipresse druckte Sondernummern für das Frauenwahlrecht.
Auch bei der II. internationalen sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen im Jahre 1910 stand ebenfalls das Thema Frauenwahlrecht im Mittelpunkt. Die in Kopenhagen versammelten Frauen wussten sehr genau, dass sie ohne Druck gar nichts erreichen würden. Nach dem Beispiel der amerikanischen Frauen beschlossen deshalb etwa 100 Frauen aus 17 Nationen auf Vorschlag Clara Zetkins und Käte Dunckers, künftig jedes Jahr einen Frauenkampftag zu organisieren. Am 19. März 1911 fand so der erste Internationale Frauentag in Deutschland, Dänemark, Österreich und der Schweiz statt. Die Wahl dieses Datums sollte den revolutionären Charakter des Frauentags unterstreichen, weil der 18. März der Gedenktag für die Gefallenen in Berlin während der Revolution von 1848 war.
Allein in Deutschland nahmen über eine Million Menschen, die große Mehrzahl Frauen, an Veranstaltungen und Demonstrationen teil, um das Recht von Frauen auf volle politische Mündigkeit einzufordern. Mit folgenden Worten rief ein Flugblatt zum ersten Internationalen Frauentag in Deutschland auf:
„Die Frau des zwanzigsten Jahrhunderts ist politisch mündig geworden, und trutziglich fordert sie ihre Staatsbürgerrechte …. Darum, auf ihr Frauen und Mädchen des arbeitenden Volkes, auf in den Kampf um euer Staatsbürgerrecht! Der 19. März ist euer Tag, an dem ihr zum Ausdruck bringen sollt, dass ihr es satt habt, als Gleichverpflichtete, aber Minderberechtigte euch zu mühen.”
Zentrale Forderungen der demonstrierenden Frauen waren: Arbeitsschutzgesetze, Achtstundentag, Mutter- und Kinderschutz, Festsetzung von Mindestlöhnen, Wahl- und Stimmrecht für Frauen, gleicher Lohn für gleiche Arbeit .
1921 wurde auf Beschluss der 2. internationalen Frauenkonferenz der 8. März als Internationaler Frauenkampftag festgelegt. Damit sollte an den großen russischen Textilarbeiterinnen-Streik aus dem Jahre 1917 erinnert werden.
Alle Jahre wieder singen die Frauen in all ihren Sprachen das Lied „Brot und Rosen”. Das Lied stammt aus dem Jahre 1912, entstanden bei einem Streik von 14 000 Textilarbeiterinnen in Lawrence, USA. Der Streik richtete sich gegen die Hungerlöhne und die Kinderarbeit. Dieser Streik, in dem Frauen besonders entschieden für ihre Interessen kämpften, wurde durch zahlreiche Lieder berühmt, die sie auf den Demonstrationen, vor den Werkstoren und in der Stadt sangen.
Das Gedicht „Brot und Rosen” geht auf ein Transparent der Arbeiterinnen zurück, auf dem stand „We want bread and roses, too” Die Worte Brot und Rosen wurden zum Motto der amerikanischen und internationalen Frauenbewegung.
Hat sich bis heute etwas geändert?
Ausbeuterische Geschäftsmodelle, untätige Behörden, mangelnder Brandschutz, die Korruption lokaler Eliten, die Praktiken internationaler Textildiscounter, Beteuerungen, für verbesserte Arbeitsbedingungen zu sorgen, und dann von den Zulieferern weitere Rabatte verlangen. Bangladesch ist nach China weltweit zweitgrößter Produzent von Textilien. Das Zentrum der Produktion befindet sich in Dhaka. Zu Tiefstlöhnen werden Textilien für den Weltmarkt hergestellt. Nach all den Unglücksfällen mit Tausenden Toten scheint sich nichts geändert zu haben. Siehe: Wird Äthiopien das „neue Myanmar“ der Bekleidungsindustrie?- Is Ethiopia becoming the “new Myanmar” of the garment industry?
Frauenarmut – Wir träumten vom Leben, aber nicht in Armut
Sie versorgen den Haushalt, kümmern sich um Kinder, Kranke und Alte und bekommen dafür kein Geld. Sie haben schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, und wenn sie eine Stelle bekommen, verdienen sie trotz gleicher Qualifikation immer noch weniger als Männer. In vielen Ländern sind Frauen noch immer vielfach benachteiligt. Gerade Frauen sind immer öfter von Armut betroffen. Armut ist weiblich (Siehe: Frauenarmut – man hat uns einfach vergessen)
Wo ist der Aufschrei? Frauen, die von Gewalt betroffen sind, haben keine Lobby!
Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist heute eine der verbreitetsten, hartnäckigsten und schrecklichsten Menschenrechtsverletzungen in unserer Welt. Tagtäglich erleben Mädchen und Frauen psychische, physische oder sexuelle Gewalt. Schon als Kind haben viele Frauen körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt erlebt. Gerade bei häuslicher Gewalt schauen auch Nachbarn gerne weg. Doch nicht nur Nachbarn, sondern auch die Polizei. Eine Frau meldete sich bei der Polizei, denn sie fühlte sich von ihrem Mann, von dem sie sich getrennt hatte, bedroht. Die Polizei antwortete, dass es sich um eine Familienangelegenheit handeln würde. Nur zwei Stunden später musste die Kriminalpolizei kommen, denn der Mann war gewaltsam ins Haus eingedrungen und hat die Mutter und die Schwester der Frau getötet, die Frau selbst konnte fliehen. Es handelt sich um eine Familienangelegenheit, ja genau das hatten auch die Eltern einer Frau erfahren müssen, nachdem nach einer Trennung auf Grund häuslicher Gewalt der verlassene Ehemann plötzlich vor der Tür stand. Wie oft kommt es vor, dass Frauen um Hilfe bitten, aber diese Hilfe abgelehnt wird? Vor 20 Jahren entschied ein Richter „Geschwistertrennung“, weil der Ehemann nach Trennung im Gericht drohte, die Frau umzubringen. Der Richter wollte ein Blutbad im Gericht vermeiden und so bekam der Mann, der seine Frau über Jahre hinweg nachweislich misshandelt hatte, seinen Willen. Der Frau riet der Richter, ihrem Mann aus dem Weg zu gehen. Polizeischutz im Gericht gab es gratis dazu. 2022 haben wir immer noch eine Situation, dass jeden zweiten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet wird. Haben wir wirklich etwas erreicht?
Siehe: Frauen, die von Gewalt betroffen sind, haben keine Lobby!
Wie gefährlich das Leben von Frauen sein kann, wird auch an Türkei deutlich.
Ankara’daki 8 Mart eylemimize polis saldırdı, arkadaşlarımız gözaltına alındı.
Gözaltılar derhal serbest bırakılsın. pic.twitter.com/vRIbleXuuT
— Kadın Meclisleri (@kadinmeclisleri) March 6, 2022
Die Gewalt an Frauen nimmt in der Türkei zu! Die Gefahr, von einem Mann erschossen, erstochen oder totgeprügelt zu werden, ist für eine Frau größer, als bei einem Autounfall oder an Krebs zu sterben. Gewalt gegen Frauen sei die Haupttodesursache unter Frauen zwischen 15 und 44 Jahren in der Türkei.
Wie jedes Jahr gab es auch dieses Jahr wieder Polizeigewalt, als die Frauen in der Türkei gegen Gewalt an Frauen demonstrierten. Und wieder wurden viele Frauen festgenommen.
Am 06. März 2022 gaben die Frauen der Gruppe 8. März aus Ankara zum dies jährigen Frauentag ihre Erklärung ab:
„ Es lebe der 8. MÄRZ gegen männliche Staatsgewalt, Krise und Armut!
Nicht nur , dass die Polizei bereits auf diese Frauen warteten, damit sie die Erklärung nicht abgeben konnten, sie hinderten auch andere Frauen daran, an dieser Kundgebung teilzunehmen.
Die Erklärung der Frauenplattform von Ankara lautet wie folgt:
Wir kommen mit der Revolte der ermordeten Frauen. Wir kommen mit dem Wind der berufstätigen Frauen, die sich um ihre Arbeit kümmern. Wir kommen mit der Wut von Frauen, die töten mussten, um nicht zu sterben. Wir kommen mit dem Schrei von Mädchen, die vom Staat durch Zwangsverheiratung zu männlicher Gewalt und sexuellem Missbrauch verurteilt wurden. Wir kommen mit dem Mut gefangener Frauen, die sich nicht einmal im Gefängnis ergeben. Wir kommen dadurch, dass wir unser Geschlecht, unsere sexuelle Identität, unser Leben, unseren Lebensstil und einander schützen. Wir erheben die Stimme des Friedens gegen diejenigen, die um ihrer eigenen Macht willen zum Krieg aufrufen….“
„un violador en tu camino“ „DER VERGEWALTIGER BIST DU!“
Während wir hier noch auf den Protest der Frauen warten, gehen in anderen Ländern Hunderttausende Frauen auf die Straße. Frauen in Argentinien riefen nach brutaler Vergewaltigung einer 16-Jährigen zu einem Generalstreik auf.
Frauen hatten schon immer mit Frauenfeindlichkeit in einer Gesellschaft zu kämpfen, in der Frauen nicht gleichberechtigt vertreten sind. Glücklicherweise haben die Frauen in Chile nicht aufgegeben und für diese Gleichberechtigung gekämpft und gesiegt.
Seit März 2018 regierte der konservative Milliardär Sebastián Piñera als chilenischer Präsident. Seither wurden friedliche Demonstranten mit polizeilicher Gewalt unterdrückt und die Gewalt an Frauen nahm zu. Wie gefährlich das Leben von Frauen sein kann, wird auch an Chile deutlich. Doch die Frauen nahmen den Kampf gegen Gewalt an Frauen auf und so marschierten mehr als 1 Million chilenische Frauen gegen Gewalt an Frauen. Frauen sind permanent verschiedenen Formen patriarchalischer Gewalt ausgesetzt. Das spiegelt sich auch in dem Anti-Vergewaltigungs-Lied „un violador en tu camino“ „DER VERGEWALTIGER BIST DU!“ wider, das zu einer Hymne für Frauen auf der ganzen Welt geworden ist und in Chile begann. In Chile haben die Frauen nie aufgehört zu kämpfen, mit Erfolg.
Chile gibt den Ton an für eine neue Ära, in der Frauen im Mittelpunkt einer politischen Gestaltung stehen. Chile hat einen neuen Präsidenten gewählt. Am 21. Januar 2022 ernannte der designierte chilenische Präsident Gabriel Boric sein erstes Kabinett und mit 14 Frauen und zehn Männern ist es die erste Regierung in Chile, die mehr Frauen als Männer an der Spitze der verschiedenen Ministerien hat. Darunter das Innen-, Justiz-, Verteidigungs- und Außenministerium und das Frauenministerium wird nun von der Feministin Antonia Orellena geführt. Ein wichtiges Signal im Kampf gegen die Gewalt an Frauen und für die Legalisierung der Abtreibung. Siehe:Die „grüne“ Welle- Erfolg für Frauen in Chile! Mehrheitlich Frauen an der Spitze der Ministerien!- Signs of an Emerging Feminist Democracy in Chile- Chile’s youngest ever President Gabriel Boric unveils his women-majority cabinet
Am Internationalen Frauentag erinnern weltweit Organisationen an Frauenrechtsprobleme. Dabei geht es um Themen wie Gewalt gegen Mädchen und Frauen, politische und soziale Teilhabe sowie Gleichstellung im Arbeitsleben. Jeder Tag muss ein Frauentag sein.
„Wir wollen unser Theil verdienen: wir wollen unsere Kräfte aufbieten, das Werk der Welt-Erlösung zu fördern, zunächst dadurch, daß wir den großen Gedanken der Zukunft: Freiheit und Humanität (was im Grunde zwei gleichbedeutende Worte sind) auszubreiten suchen in allen Kreisen, welche uns zugänglich sind, in den weiteren des größeren Lebens durch die Presse, in der engeren der Familie durch Beispiel, Belehrung und Erziehung. Wir wollen unser Theil aber auch dadurch verdienen, daß wir nicht vereinzelt streben nur Jede für sich, sondern vielmehr Jede für Alle, und daß wir vor Allem Derer zumeist uns annehmen, welche in Armut, Elend und Unwissenheit vergessen und vernachlässigt schmachten.
Wohl auf, meine Schwestern, helft mir zu diesem Werke! Helft mir für die hier angedeuteten Ideen zunächst durch diese Zeitung zu wirken!! Textauszug aus: Otto, Louise (1849)
„Wenn eine Frau zur Realität durchdringt, lernt sie ihren Zorn kennen, und das heißt, sie ist bereit zu handeln.“ Mary Daly
Netzfrau Doro Schreier
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